Alltag einer Amateurmannschaft

Zu gut für die sechste Liga

Neutraler Lederball - Fußball-Symbolbild
Altglienicke schießt Tore am Fließband, aber es fehlt das Geld, um professionelle Bedingungen zu schaffen. © imago
Von Fritz Schütte · 27.09.2015
Die VSG Altglienicke ist freiwillig in die Berliner S-Bahn-Liga abgestiegen. Es wäre zu teuer gewesen, das Stadion zu renovieren. Nun sind sie wieder Tabellenführer. Einblicke in Anspruch und Wirklichkeit des Amateurfußballs.
Stadionsprecher Joachim Schmidt: "Da kommt der aktuelle Tabellenführer der Berlin-Liga. Im Tor mit der Nummer 1 Markus Rickert, mit der Nummer 5 Fabian Fritsche."
Das Stadion am Alten Schönefelder Weg im Ostberliner Bezirk Köpenick, Heimat der VSG Altglienicke. Gut, dass es nicht regnet. Die vier Reihen weißer Schalensitze sind nicht überdacht.
"... mit der Nummer 19, Keeeevin Pannewitz, mit der Nummer 20 ..."
Hinter mir baut Benjamin Barthmann seine Kamera auf, Reporter von altglinienickeaktuell und spreekicktv. Er schneidet selbst, aber so schnell wie die Kollegen von der Sportschau ist er nicht.
Benjamin Barthmann: "Ich fange Montag erst an, weil morgen muss ich noch zu einem anderen Spiel. Arbeiten muss ich auch noch gehen."
Benjamin hat gerade aufgerüstet: High Definition mit 4-K-Technik.
Benjamin Barthmann: "Aus dem einfachen Grund: nachher beim Schnitt habe ich dann die Möglichkeit, das noch mal ranzuzoomen, und auch eine optimale Bildqualität."
Der Gegner Al-Dersimspor kann dem Druck des Tabellenführers ganze acht Minuten standhalten.
Stadionsprecher: "Und da ist das 1:0 für die VSG Altglienicke. Der Torschütze war, wenn ich das richtig gesehen habe ..."
Stadionsprecher Joachim Schmidt versucht, die Stimmung hochzuhalten.
Freiwilliger Abstieg
Stadionsprecher: "Beim letzten Spiel hatten wir gegen Preussen hier 200 Zuschauer. Ansonsten sind es meistens 50, 60, vielleicht 70."
"Als die VSG noch eine Klasse höher spielte, war mehr los", sagt er. Die Mannschaft hatte es drauf, aber das so genannte Funktionsgebäude war nicht oberligatauglich und ist jetzt Baustelle.
Stadionsprecher: "Freiwillig haben wir uns zurückgezogen damals, weil der Kabinentrakt bei uns renoviert wird. Und Oberliga ist ja auch immer mit Kosten verbunden. Das haben wir gesagt: Stecken wir erstmal zurück. Und jetzt spielen wir wieder oben mit, und da ist die Entscheidung, was man dann macht, wenn man Tabellenführer am Ende ist."
Halbzeitpause. Die Fans blättern im "Stadion Echo". Sie müssen sich an neue Namen gewöhnen.
Fan: "Julian Austermann ist neu, Stefan Bremer ist ein Rückkehrer von Viktoria."
Ein guten Fang hat die VSG mit Spieler Nummer 19 gemacht.
"Der schlägt ja Pässe, wie sie aus der Liga kommen - genial, sage ich mal."
Kevin Pannewitz fällt auf, weil er nicht die für Fußballspieler übliche Statur aufweist. "Wenn er weniger wiegen würde, wäre er nicht bei uns", sagen die Fans.
In der DDR spielte die VSG in der dritten Liga. Doch nach der Wende ging es im Berliner Fußball genauso zu wie im gesamtdeutschen.
Fan: "Aber dann wurde eben die ganze Mannschaft wirklich weggekauft, und dann ging es eben runter bis in die Kreisliga B."
Bald ist die VSG wieder dort, wo sie nach Meinung der Fans hingehört. Kurz vor Schluss fällt das 6 : 0.
Stadionsprecher: "...und da hat es bei ihm auch geklappt. Unsere Nummer 11 Patrick Kroll ..."
Shakehands nach dem Spiel.
"... und eine Gratulation natürlich an unsere Mannschaft, unsere VSG...."
Zu gut für die sechste Liga
Der Trainer nimmt den Videoreporter zur Seite. Das vierte Tor sei ein im Training geprobter Standard, wäre schön, wenn er es aus seinem Bericht rauslassen würde.
Benjamin Barthmann: "Ja, schauen wir mal. Ich denke, ich werde wieder einen schönen Zusammenschnitt machen von dem Spiel so wie immer. Es wird schon ein sehr gutes Ergebnis dabei herauskommen."
Kevin Pannewitz: "Mit dieser Mannschaft musst du in der Oberliga, wenn nicht in der Regionalliga spielen, weil die eigentlich zu gut ist für die sechste Liga."
Kevin Pannewitz, Spielmacher der VSG, ist 23 und eines der großen Talente im deutschen Fußball, das die Karriere verpasst hat.
Kevin Pannewitz: "Bei Hansa Rostock habe ich angefangen und dann bin ich zu Wolfsburg gegangen in die erste Liga, aber habe da leider keinen Einsatz bekommen. Dann kam Goslar in der Regionalliga. Das war ich jetzt anderthalb, zwei Jahre. Und dann wollten wir wieder zurück nach Berlin, weil wir Nachwuchs bekommen, und so bin ich hier gelandet."
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