Alles unter Kontrolle?

Von Reinhardt Spiegelhauer · 18.04.2011
Im Januar 1966 stürzte ein US-Atombomber über Andalusien ab. An Bord: vier Wasserstoffbomben. Zwei davon wurden beim Aufprall nahe dem Fischerdorf Palomares zerstört. Hochgiftiges radioaktives Plutonium wurde freigesetzt.
Jesús Caicedo: "Er war ein riesiger Krach, wir dachten, es sei ein Zug oder so etwas – aber wir wären nie auf die Idee gekommen, dass es ein Flugzeugunglück sein könnte."

Igor Parra: "Bei ihrem Patrouillenflug zum schwarzen Meer, bestückt mit vier thermonuklearen Bomben, gab es einen Zusammenstoß direkt über uns. In 11.000 Metern Höhe stießen ein Betankungsflugzeug und ein B52-Bomber zusammen."

Nur drei Besatzungsmitglieder des Bombers konnten per Schleudersatz aussteigen – der Rest kam ebenso um wie die Piloten der fliegenden Tankstelle. Was genau bei dem Betankungsmanöver schief gegangen war, ist bis heute nicht völlig geklärt.

Die vier Wasserstoffbomben an Bord der B 52 stürzten mit den Flugzeugtrümmern zu Boden. Eine versank im Meer. Eine zweite landete dank Fallschirmen relativ sanft. Die anderen zwei Bomben schlugen mit großer Geschwindigkeit auf dem Boden auf. Ihre Fallschirme hatten sich nicht richtig geöffnet bzw. waren beim Zusammenstoß der Flugzeuge verbrannt:

Igor Parra: "Wir stehen hier vor der so genannten Zone 3 nahe am Friedhof von Palomares. Hier schlug eine der Bomben auf, und entzündete sich dabei. Wir sehen den Zaun, und dass ganz in der Nähe Salat und Melonen angebaut werden. Die kontaminierte Fläche wird nicht mehr bewirtschaftet, aber noch vor sieben, acht Jahren gab es hier in der am stärksten verseuchten Zone überhaupt Landwirtschaft."

Igor Parra ist Umweltschützer, kämpft seit vielen Jahren dafür, dass die letzten der strahlenden Überreste der Beinahe-Katastrophe von Palomares beseitigt werden. Gleich nach dem Unfall hatten die US-Streitkräfte rund 5000 Fässer mit verseuchtem Erdreich und Trümmerteilen in die USA gebracht. Dort lagert das Material heute auf einem Atomfriedhof. Aber drei Bereiche im Absturzgebiet wurden nicht vollständig dekontaminiert. Eine davon ist Zone 3. Die Bombe, die hier aufprallte, explodierte zwar glücklicherweise nicht, aber:

"Es entstand ein Feuer, und das führte dazu, dass sich eine Plutoniumwolke bildete und sich das Plutonium mit dem Wind verbreitete. Heute, 45 Jahre später, haben wir eine komplexere Situation: Das Plutonium zerfällt zu Americium, und das verbreitet sich sehr leicht in der Luft und strahlt über weitere Entfernung."

Schon kurz nach dem Absturz einigten sich Spanien und die USA darauf, in den verbliebenen kontaminierten Gebieten ein Strahlen-Monitoring einzurichten. Die spanische Forschungsbehörde CIEMAT ist dafür zuständig. Insgesamt sind es gut 20 Hektar, die so überwacht werden. In Zone 3 stehen eine Wetter-Messstation und zwei Geigerzähler. Stets hieß es, es gebe in Palomares keine unmittelbare Gefahr mehr. Trotzdem hat das Unglück dem Image der Gegend schwer geschadet. Bürgermeister Jesús Caicedo, der damals, als Junge, zuerst an ein Zugunglück gedacht hatte:

"Es gibt in Palomares hervorragende Agrarprodukte – die aber nicht unter dem eigenen Namen zu vermarkten sind. Auch als die Grenzen innerhalb der EU noch geschlossen waren und es strenge Kontrollen gab, ist nie etwas gefunden worden in den Erzeugnissen aus Palomares."

Doch niemand weiß, ob nicht mehr Flächen verstrahlt sind, als bisher bekannt. Denn Zone 3 beispielsweise wurde erst vor ein paar Jahren überhaupt entdeckt.

Igor Parra: "Die erste Information, die wir darüber erhielten, im Jahr 2000, kam aus einer Fabrik in der Nähe. Wir waren dort, um die Wasseraufbereitung anzusehen. Und einer der Umwelttechniker dort sagte uns, er habe in den Filtern hochradioaktive Rückstände gefunden."

Besonders brisant wurde das Thema, als in dem 1000-Seelen Dorf Palomares gebaut werden sollte. Es gibt ehrgeizige Pläne für Wohnungsbau – aber wenn dabei nicht bekanntes, verseuchtes Gelände aufgegraben würde, würden Plutonium und Americium wohlmöglich in weitem Umkreis verteilt. Seit vielen Jahren steht im Raum, zumindest die bekannten belasteten Flächen zu sanieren.

Auch mitten im Dorf liegt eine 50 mal 100 Meter große, verstrahlte Fläche. Rundherum liegen Häuser. Architekt Francisco und seine Frau Rosemary haben Verwandtschaft hier, und vor kurzem ein Häuschen geerbt. Aber ob sie sich hier niederlassen, wissen sie noch nicht:

"Sie sagen, dass alles unter Kontrolle ist, dass die Strahlung niedrig ist, dass es für uns Nachbarn keine Gefahr gibt – das beruhigt etwas. Aber wissen wir, ob es stimmt? Nein."