Alles begann mit dem Aufstand von Wuchang

Von Otto Langels · 10.10.2011
Die Revolution in China begann mit einem Unfall in der Provinz: In der Stadt Wuchang am Yangtse-Fluss flog ein Munitionslager in die Luft und löste am 10. Oktober 1911 einen Aufstand aus. Die Rebellen setzten eine Militärregierung ein und proklamierten im Namen ganz Chinas die Republik.
"Um Überblick zu haben, stiegen wir auf den Wasserturm: Hier sieht man vor sich ein großes Trümmerfeld der von den kaiserlichen Truppen abgebrannten Stadt."

Der Unternehmer Georg Baur kam kurz nach dem Ausbruch der revolutionären Unruhen in China in das verwüstete Wuchang. Als Vorstand des Krupp-Konzerns war er im Jahr 1911 in Ostasien unterwegs, um das Rüstungsgeschäft anzukurbeln. Baur erlebte die Kämpfe zwischen den kaiserlichen Truppen und den Rebellen hautnah mit und notierte seine Eindrücke akribisch in seinem Tagebuch:

"Aufstieg auf die Plattform des neuen Hochofens, von wo schöner Überblick. Hier hatten auf der Plattform die Revolutionäre Geschütze aufgestellt."

Als der Aufstand in Wuchang ausbrach, hatte die kaiserliche Regierung im Volk jeden Rückhalt verloren. Der sogenannte Boxeraufstand gegen die in China übermächtigen europäischen Kolonialherren war gescheitert, Japan hatte einen Großteil der Mandschurei, das Stammland der Qing-Dynastie, besetzt, und die innenpolitischen Reformen zur Modernisierung des veralteten Staatsapparates blieben aus. Für zusätzlichen Unmut sorgte der Versuch der Regierung, den Provinzen das Schienennetz zu entziehen.

"Gegen die Verstaatlichung der Provinzialbahnen erhob sich die sogenannte Gentry, das sind die Notabeln der Provinzen, die zum Teil im Interesse ihrer eigenen Taschen gegen jede Zentralisation sind."

In mehreren Provinzen bildeten sich geheime Gesellschaften, getragen von bürgerlichen Intellektuellen und Armeeoffizieren. Sie strebten eine radikale Veränderung der politischen Verhältnisse an, waren aber noch nicht zum Aufstand bereit, als ein Zwischenfall in der Provinz Hubei sie zum Handeln zwang: In Wuchang, heute ein Teil der Provinzhauptstadt Wuhan, explodierte versehentlich ein von den Aufrührern angelegtes Munitionslager. Zunächst reagierten die Anführer kopflos und unentschlossen. Erst als eine Verhaftungswelle einsetzte, riefen sie am 10. Oktober 1911 zum Aufstand auf.

"Es ist keine einheitliche Leitung bei den Revolutionären. Bei den Kaiserlichen ist es schlecht, aber bei den Revolutionären noch schlechter. Kein Mensch kann sagen, was werden wird."

Die Revolutionäre gewannen schließlich die Oberhand, als junge Offiziere der chinesischen Armee rebellierten, ihren Kommandeuren die Gefolgschaft verweigerten und das größte Waffenarsenal in Wuhan stürmten. Einen Tag später befand sich die Stadt in der Gewalt der Aufständischen.

Am 11. Oktober setzten sie eine Militärregierung für die Provinz Hubei ein und riefen im Namen ganz Chinas die Republik aus. Kurz darauf sagten sich 15 von insgesamt 24 chinesischen Provinzen von der Zentralregierung in Peking los und erklärten sich für unabhängig.

"Von der Mandschu-Dynastie mit ihrem früheren Absolutismus ist ja nicht mehr viel geblieben. Es ist traurig, dass noch so viel gekämpft wird und das ganze Land immer mehr in den Ruin gebracht wird. Man muss wirklich mit großem Bangen in die Zukunft sehen. Die neue Nationalflagge ist recht bunt. Rot, gelb, blau, weiß, schwarz. Es sind das die Farben, die die Chinesen als die fünf Grundfarben ansehen. Man sieht diese Nationalflagge jetzt allenthalben."

Die Geheimbünde gewannen nach dem 10. Oktober rasch an Bedeutung und entwickelten sich zu parteiähnlichen Organisationen, darunter als wichtigste Gruppierung die Kuomintang unter Führung Sun Yatsens. Er forderte das Ende der Qing-Dynastie, die Selbstständigkeit der chinesischen Nation und die Errichtung einer Republik. Am 29. Dezember 1911 wurde Sun Yatsen zum provisorischen Präsidenten der Republik gewählt.

"Die Ereignisse nehmen jetzt beinahe einen schnelleren Verlauf, als ich zuletzt vermutete. Gestern ist die Abdankung des Prinzregenten gekommen. Der Hof entsagt jeder Verantwortung und sagt zu allem ja. Nun ist der Kaiser nur noch das zeremonielle Zierrat, das die vorschriftsmäßigen Übungen als Vertreter des Himmels auszuüben hat."

Die Beschränkung auf rein zeremonielle Akte verschaffte dem kaiserlichen Hof nur eine kurze Galgenfrist. Am 12. Februar 1912 dankte der erst fünfjährige Kaiser ab. In China brach ein neues Zeitalter an: Eine 3500 Jahre alte Dynastie ging unter, die Republik etablierte sich als neue politische Ordnung.
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