Alles andere als souverän

Von Christel Blanke · 05.01.2012
Der Bundespräsident hat auf seine Fehler mit Schulterzucken reagiert und gesagt: Ich bin doch auch nur ein Mensch. Wie will jemand, der sich als Opfer darstellt, künftig moralische Maßstäbe setzen?
Christian Wulff will im Amt bleiben. Und er muss im Amt bleiben. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe.

Zuallererst hat Christian Wulff eine Aufgabe zu erledigen. Er ist ja nicht ohne Grund in dieses Amt gekommen. Die Bundeskanzlerin hatte ihn ausgewählt, weil er ein Politiker ist mit jahrelangen Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner und mit den Medien. Nach dem überraschenden Rücktritt von Horst Köhler sollte nicht noch einmal ein Bundespräsident scheitern, weil er dem medialen Ansturm nicht gewachsen ist.

Christian Wulff hat immer erkennen lassen, dass er zäh ist. Drei Mal hat er Anlauf genommen, um Ministerpräsident von Niedersachsen zu werden. Nie hat er nach einer Niederlage aufgegeben. Hat es ertragen, dass die Medien ihn als unbedarften Jungspund darstellten und hat erneut angegriffen. Bis er erfolgreich war. Er wolle nicht gleich bei der ersten Herausforderung im neuen Amt weglaufen, sagt Christian Wulff heute. Und genau das ist es, was von ihm erwartet wurde und wahrscheinlich noch wird.

Denn der zweite Grund liegt in der Schwäche der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin. Die Bundeskanzlerin kann kein Interesse daran haben, dass zum zweiten Mal ein von ihr unterstützter Bundespräsident zurück tritt. Zumal eine Alternative nicht in Sicht ist und die Mehrheit in der Bundesversammlung äußerst knapp wäre. Es sei denn, Angela Merkel würde gemeinsam mit der Opposition einen Kandidaten aufstellen. Doch das würde wohl zu neuem Ärger im schwarz-gelben Bündnis führen.

Der dritte Grund dafür, dass Christian Wulff im Amt bleiben will, ist seine persönliche Biografie. Er ist jung, hat Familie und genau das als gut fürs Schloss Bellevue dargestellt. Ginge er nach so kurzer Zeit, wäre er persönlich gescheitert.

Ob er allerdings mit dem gestrigen Interview die Voraussetzung für den Verbleib im Amt geschaffen hat, darf bezweifelt werden. Wie will jemand, der sich als Opfer darstellt und auf Fehler oder zumindest politische Ungeschicklichkeit mit Schulterzucken reagiert und sagt: ich bin doch auch nur ein Mensch, künftig moralische Maßstäbe setzen. Genau das ist es doch, wofür ein Bundespräsident steht. Die einzige Macht, die er hat, ist, dem Volk, der Politik, den Medien den Spiegel vorzuhalten, wenn es nötig ist. Christian Wulff aber wird künftig immer im Hinterkopf haben müssen, dass alles, was er sagt, mit seinem Verhalten in dieser Krise verglichen werden wird. Und das war bisher alles andere als souverän. Zumal er augenscheinlich immer noch nicht verstanden hat, worum es im Kern geht, wenn ihm eine zu große Nähe zu befreundeten Unternehmern vorgeworfen wird.

Wulff selbst hat immer wieder gesagt, ein Politiker muss jeden Anschein einer Besserstellung vermeiden. Es ist kaum zu fassen, dass er das für sich selbst nicht anerkennt und meint, die Urlaube, der Kredit, und dass er seinen Freund anschließend mit auf Dienstreise genommen hat, hätten mit seinem Amt nichts zu tun gehabt. Am Ende des Interviews bleibt der Eindruck von einem Bundespräsidenten, der sich vorgenommen hat, um jeden Preis im Amt zu bleiben, aber nicht wirklich das Format dafür hat.
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