"Alle Facetten der Avantgarde-Kunst"

Daniel Hug im Gespräch mit Ulrike Timm · 17.04.2012
Lange sah es so aus, als würde die "Art Cologne" an Bedeutung verlieren - vielleicht auch wegen der starken Sogkraft Berlins. Doch der US-Galerist Daniel Hug hat die Messe zu alter Größe zurückgeführt. Wie Hug sagt, funktionieren Kunstmessen besser in kleineren Städten.
Ulrike Timm: Heute beginnt die "Art Cologne", die älteste Kunstmesse der Welt, die Mutter aller Kunstmessen sozusagen, und bis zum kommenden Sonntag präsentieren sich rund 200 Galerien mit Werken moderner und zeitgenössischer Kunst. Die "Art Cologne" hat sich nach einer Schwächephase, deren Höhepunkt 2008 zu einem Direktorenwechsel führte, wieder berappelt, und dieses Verdienst wird auch ihrem Direktor Daniel Hug zugeschrieben, mit dem ich jetzt verbunden bin. Schönen guten Tag!

Daniel Hug: Hallo!

Timm: Wie würden Sie denn das heutige Profil der "Art Cologne" überhaupt beschreiben?

Hug: Also als internationale Kunstmesse mit Schwerpunkt Deutschland.

Timm: Wo steht denn die "Art Cologne" im internationalen Vergleich? Es gibt die "Art Basel", es gibt London, New York. Spielt sie denn in der Champions League oder eher in der Bundesliga?

Hug: Ja, klar: Die Pariser "FIAC"-Messe hat einen Schwerpunkt französische und belgische Künste oder Galerien, die Londoner Messe "Frieze" und auch die Dependance in New York hat auch Schwerpunkt englische Galerien, die "ARCO" Madrid selbstverständlich Galerien aus Spanien, aber alle funktionieren auf der internationalen Szene. Die "Art Basel", klar, ist die internationalste Messe, da es eben in der Schweiz nicht genug Galerien gibt für einen Länderschwerpunkt. Also ich sehe die "Art Cologne" schon jetzt als wichtigste deutsche Kunstmesse, und in dem Sinne eine von den fünf Top-Kunstmessen für moderne und zeitgenössische Kunst weltweit.

Timm: Herr Hug, nun möchten Sie diese Messe noch weiter erweitern und internationalisieren, die Nummer eins soll sie werden – das ist so ehrgeizig wie vollmundig, aber geht das überhaupt? Wenn Sie sagen, Schwerpunkt Deutschland – damit ist doch die Internationalität naturgemäß begrenzt.

Hug: Ah, ja, ich meine, Deutschland spielt eine sehr große Rolle in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, Berlin alleine hat 400 Galerien. Deutsche Kunstzentren wie München, Frankfurt, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Leipzig haben alle zwischen 20 und 100 Galerien tätig. Wenn man die bekannten Künstler von den letzten 100 Jahren, also die international bekannten Künstler aufzählt, also nicht nur Gerhard Richter, Sigmar Polke, Joseph Beuys, Anselm Kiefer, André Butzer, Kai Althoff, Manfred Pernice, Günther Uecker –, es gibt so viele Künstler von deutscher Abstammung, die heute auf einer internationalen Ebene bekannt und tätig sind: Deutschland spielt eine wichtige Rolle auf dem internationalen Kunstmarkt.

Timm: Nun sitzt die "Art Cologne" in Köln, die vielfältigste Kunstszene mit den meisten Galerien hat aber in Deutschland Berlin. Profitiert Köln auch davon, dass die Berliner nie einen gemeinsamen Nenner finden und jetzt zum Beispiel auch das "Art Forum Berlin" im vergangenen Jahr abgesagt wurde? Funktioniert dann die "Art Cologne" nach dem Motto – eine Konkurrenz weniger, das nützt uns?

Hug: Ich sehe das ganz einfach, die Schweizer machen das auch so: Ich meine, Zürich ist die wichtigste Kulturstadt neben Genf in der Schweiz, und Basel ist eben der Messestandort. Das so getrennt zu halten, ist vielleicht auch das Erfolgsrezept von der "Art Basel". Dasselbe für die "Art Basel" in Miami Beach: Ich meine, es gibt da nur vier oder fünf Galerien in Miami oder zwei Museen – Messen funktionieren einfach besser in kleineren Städten, wo nicht nur die Besucher hinreisen müssen, aber auch die Aussteller. Es macht einfach viel mehr Spaß.

Timm: Nun gibt es 200 Galerien, die ausstellen bis zum Wochenende, das ist natürlich sehr waghalsig, da über Themen, Richtungen, Wege, Tendenzen zu sprechen. Wollen Sie so waghalsig sein und uns trotzdem mal ein paar Themen oder Richtungen benennen, die in der Kunst im Moment topaktuell sind und sich in Köln dann widerspiegeln?

Hug: Ja, also für die "Art Cologne" ist es sehr wichtig, dass die Kunst – egal, ob es klassische Moderne oder Nachkriegskunst oder zeitgenössische Kunst ist –, dass es progressive Kunst ist, also das ist entweder abstrakt oder konzeptuell, dass es neue Richtungen nimmt.

Timm: Das ist ja erwartbar bei einer Ausstellung von moderner und zeitgenössischer Kunst.

Hug: Genau.

Timm: Gibt es da bei den Künstlern Themen, Richtungen, Wege, die sich abzeichnen, oder kann man da gar nichts finden, was irgendwie wie ein rotes Fädlein durchgeht?

Hug: Es gibt schon Tendenzen unter den ganz jungen Ausstellern, die jungen Künstler, die New-Positions-Stände bei den etablierten Galerien. Klar, da sieht man schon Ausrichtungen. Es gibt wieder ein Neuinteresse für abstrakte Kunst, für reduzierte Kunst, für Kunst, die sich mit dem Material unterhält – sagt man das? –, beschäftigt, aber auch mehr Media-Kunst, neue Medien, Video, mit Technologie. Und auch mit der Malerei, also mit der traditionellen Malerei sehen wir sehr viel heute.

Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton", wir sprechen mit dem Direktor der "Art Cologne", mit Daniel Hug. Herr Hug, reden wir mal über Geld: Der Galerist Gerd-Harry Lybke, das ist der, der den Malerstar Neo Rauch groß gemacht hat, Gerd-Harry Lybke brachte das Geschäft mit der Kunst auf einen schönen, klaren Nenner und sagte mal: "In Köln geht es genau darum, worum es bei einer Messe gehen soll: verkaufen. Ich sammle keine Kunst, ich sammle Geld." – die Messe also als Marktplatz. Was ist denn derzeit besonders verkäuflich?

Hug: Ich meine, das ist das Wichtigste an einer Kunstmesse, dass es die ganzen Epochen der Avantgarde-Kunst abspiegelt. Es bringt auch ein breites Publikum. Und daher gibt es auch alle Facetten der Avantgarde-Kunst auf der Messe und somit auch verschiedene Interessen, von der klassischen Moderne oder Nachkriegskunst oder der ganz jungen Kunst. Heute hört man sehr oft, dass der mittlere Bereich der zeitgenössischen Kunst sich nicht so gut verkauft, aber doch: Die Blue-Chip-Superstars der zeitgenössischen Kunst verkaufen sich sehr gut, aber dann auch die ganz jungen, die Emerging Artists verkaufen sich sehr gut.

Timm: Das ist interessant, dass Sie ganz selbstverständlich den Wirtschaftsbegriff von Blue Chips – also der großen Unternehmen, die immer gehen – hineingebracht haben ins Kunstgeschäft. Es entstehen ja auch Preise, die den Künstlern selbst nicht mehr geheuer sind. Zum Beispiel ist im vergangenen Oktober eines der "Kerzen"-Gemälde von Gerhard Richter für 12 Millionen Euro über die Auktionstheke gegangen, und Gerhard Richter sagte, solche Preise seien völlig absurd und eigentlich lächerlich. Werden denn die absurden Preise weiterhin den Markt bestimmen?

Hug: Es kommt darauf an, klar, im oberen Segment – ich meine, Gerhard Richter hat ein großes Werkverzeichnis, aber im Vergleich mit anderen Produkten sind es sehr wenig. Ich meine, wie viele Ford Capris gibt es aus dem Jahr 1976? Es gibt tausende noch – die sehe ich immer noch als Rarität.

Timm: Das heißt, Kunst ist dann zunehmend eine Ware und eine Geldanlage, und die Sammlerspezies, die Kunst als Investment sieht, Stichwort Blue Chips, oder als reines Prestige-Objekt – ist es richtig, zu sagen: Die bestimmt heute den Markt?

Hug: Wie gesagt, es gibt verschiedene Märkte, es gibt verschiedene Gründe, wieso Leute Kunst kaufen. Ich glaube, das Wichtigste: Man sollte die Kunst aus Liebe kaufen. Aber es ist auch eine gute Investition.

Timm: Beides?

Hug: Klar!

Timm: Wenn man mit Spaß und Interesse an Kunst als Laie über die "Art Cologne" schlendert und durchaus bereit ist, für ein Kunstwerk, in das man sich verliebt, sagen wir 5.000 Euro locker zu machen – gibt es da was?

Hug: Klar, sehr viel. Es sind Künstler auf der "ART Cologne" vertreten in jedem Preissegment, also von ein paar Hundert für eine Edition bis in den achtstelligen Bereich.

Timm: Können Sie uns mal was besonders Originelles empfehlen, was sich für ein paar hundert Euro oder sagen wir 5.000 kriege, was Konkretes?

Hug: Ach, da würde ich … hm, da würde ich die Arbeiten von Mirjam Thomann bei der Galerie Christian Nagel … Die Mirjam Thomann hat eine New-Positions-Förderkoje für junge Künstler, die fand ich sehr aufregend, sehr interessant. Und das sind, ich glaube, die sind so ungefähr 5.000, ich glaube, vielleicht sogar 3.000 bis 5.000. Der andere Künstler, den ich sehr toll finde, also in diesem Segment: Andy Boot, ein Australier, der in Wien wohnt und bei der Galerie Croy Nielsen ausstellt aus Berlin, und die sind bei den New Contemporaries, das sind die Förderkojen für junge Galerien.

Timm: Und welches Kunstwerk würde sich der Direktor Hug sofort kaufen, wenn das Direktorengehalt das zuließe?

Hug: Also was ich unbedingt … was ich am liebsten kaufen würde, ist ein Brennbild von Yves Klein bei der Galerie David Zwirner. Das ist ich glaube aus den frühen 60er-Jahren, und es ist das erste Mal auf dem Markt. Es war ein Teil von der Lauff-Sammlung aus Krefeld, die teilweise jetzt aufgelöst wurde.

Timm: Ist es blau?

Hug: Nee, nee, es ist eine rohe Leinwand und dann mit Brennspuren, also Yves Klein malte auch mit Feuer – irrsinnig toll.

Timm: Was Carsten Probst, unser Kunstkritiker, an der "Art Cologne" besonders sehenswert findet, das erfahren Sie heute Abend bei seinem Rundgang bei "Fazit". Ich bedanke mich erst mal bei Daniel Hug, dem Direktor der "Art Cologne": Danke fürs Gespräch!

Hug: Danke Ihnen!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


Link zur Messe-Website: Art Cologne
Mehr zum Thema