Alex Perry: "In Afrika"

Ein Kontinent hilft sich selbst

Demonstranten in Burkina Faso
Menschen demonstrieren in Burkina Faso, auch hier findet Alex Perry hoffnungsvolle Beispiele der Selbstbemächtigung. © AFP / Issouf Sanogo
Von Günther Wessel · 06.07.2016
Der Korrespondent Alex Perry braucht in dem Buch "In Afrika" keine Klischees, um den Kontinent spannend zu beschreiben. Er begegnet Machthabern, wie etwa Robert Mugabe, vor allem aber lässt er Menschen aus dem Volk zu Wort kommen. Ihn treibt die Frage um, warum ausländische Hilfe oft mehr schadet als nutzt.
Alex Perry ist der Auslandskorrespondent für Afrika: Seit langem schon schreibt er für das "Time Magazine" und "Newsweek". Seine Recherchen führten ihn nach Somalia und in den Süd-Sudan sowie 14 weitere Länder der Subsahara – nach Uganda, Ruanda, in den Kongo, nach Südafrika und nach Mali. Er traf George Clooney im Südsudan, bewunderte Robert Mugabe rednerisches Talent in Zimbabwe, begleitete Paul Kagame, den Präsidenten von Ruanda, führte ein konfrontatives Gespräch mit Jacob Zuma in Südafrika - und spricht immer wieder auch mit den Menschen vor Ort, lässt sie zu Wort kommen. Das ist bester klassisch angelsächsischer Reportage-Journalismus. Perrys Texte leben von den viele Details und lassen Situationen lebendig werden, wenngleich sie mitunter sprachverliebt und ausufernd zu lesen sind.

Afrika aus der Innensicht

Perry versucht stets Afrika aus der Innensicht zu vermitteln. Europäisches Denken verfängt nicht, wo die Entfernungen größer sind als auf jedem anderen Kontinent, wo bestehende Reiche durch Federstriche einfach zerteilt oder zusammengelegt wurden, wo Stammesstrukturen das soziale Miteinander jahrhundertelang prägten. Dabei treibt ihn immer die Frage um, warum ausländische Hilfe, sei es durch NGOs, staatliche Programme oder auch Militär, oft mehr schadet als nutzt: Weil Soforthilfe oft mit politischen Zielen verknüpft ist. In Somalia ließ man 2011 trotz voller Lebensmittelspeicher die Menschen hungern, da man so auch die Terrororganisation Al-Shabaab treffen konnte.
Ausländische Hilfe schadet auch, weil etwa US-amerikanische Nothilfe nur aus Lebensmitteln bestehen darf, die in den USA angebaut und verarbeitet und von US-Unternehmen transportiert werden. Dieses jährliche zwei Milliarden US-Dollar starke Konjunkturprogramm für die US-Wirtschaft zerstört in Afrika die Landwirtschaft, schreibt Perry. Für ihn hat die westliche Hilfsindustrie kein Interesse an einer Verbesserung der Zustände, weil sie dann selbst nicht überlebt. Veränderungen müssen also von innen kommen.

Keine trockenen Analysen

Dabei schreibt Alex Perry nie trocken analytisch; so spürt man in seiner Reportage die Verzweiflung von Khalima, einer 38-jährigen Mutter von neun Kindern, fast körperlich. Ihr Ehemann ist am Verhungern, vier ihrer Kinder sind tot und sie sucht in Mogadischu einen Platz, wo sie ihren sterbenden siebenjährigen Sohn beerdigen kann. Den aber gibt nicht, weil zu viele Menschen sterben.
Trotz solcher Geschichten, verweist Perry immer auch auf Mut-Machendes: Manche Volkswirtschaften der Subsahara-Länder gehören zu den am schnellsten wachsenden der Welt, und die Armutsrate wird sich – so Schätzungen – in den nächsten 15 Jahren halbieren. Und er listet interessante Entwicklungen auf: technischer Fortschritt, expandierende Banken oder auch umweltpolitische Fortschritte. Im letzten Kapitel beschreibt er, wie ein Bauer in Burkina Faso die Wüste ergrünen lässt. Ohne westliche Hilfe. Ein Geschichte die beispielhaft für Alex Perrys Credo steht: Die Lösung für Afrikas Probleme wird kommen, und sie wird aus Afrika selbst kommen.

Alex Perry: In Afrika. Reise in die Zukunft
Aus dem Englischen von Michael Bischoff
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016
544 Seiten, 24,99 Euro

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