Alben der Woche

Neil Young und Mutter Erde

Neil Young auf dem "Harvest the Hope" Musikfestival in Nebraska
Neil Young auf dem "Harvest the Hope" Musikfestival im September 2014 in Nebraska © picture alliance / dpa
Von Uwe Wohlmacher · 24.06.2016
Mit seiner neusten Platte "Earth" setzt der kanadische Rockmusiker Neil Young fort, was er in den 70er-Jahren begonnen hat: seinen Kampf für Rechte der Natur. Die Avett Brothers singen von wahrer Traurigkeit und klingen dabei kein bisschen traurig.
Neil Young: "Earth"
Dass Neil Young manchmal zu absonderlichen Ideen neigt, dürfte hinlänglich bekannt sein. Auf seiner neusten Veröffentlichung, dem Doppelalbum "Earth", präsentiert der kanadische Grantler einmal mehr eine ungewöhnliche Produktion. Das Rückgrat der Platte bilden Livemitschnitte verschiedener Konzerte von 2015, die Young im Studio technisch heftig nachbearbeitet hat und vor allem mit Tierstimmen, Naturklängen und Alltagsgeräuschen unterlegte, so als ob die Auftritte mitten im Wald, auf einer Kuhweide oder einer Großstadtkreuzung stattgefunden hätten.
Damit verbindet Young natürlich eine gesellschaftspolitische Botschaft. In alter Hippie-Tradition sieht sich der 70-jährige Rockstar als Bewahrer und aufrechter Kämpfer für die Rechte der Natur und so reicht die Auswahl der Songs von den Alben "After The Goldrush" bis hin zur Monsanto-Platte von 2015. Bis auf einen Titel sattsam bekannte Songs, die sich alle mit dem Zustand der Natur und Mutter Erde beschäftigen und das Werk Neil Youngs seit den frühen Siebziger Jahren durchziehen. Eine gleichermaßen reizvolle wie seltsame Platte, die über die Musik hinaus ein politisches Statement darstellt.

The Avett Brothers: "True Sadness"

"True Sadness" – traurige Themen kündigen die Avett Brothers auf dem Cover ihres von Rick Rubin produzierten neuen Albums an, doch Trübsal kommt zumindest musikalisch an keiner Stelle der Platte auf. Ganz im Gegenteil, die amerikanischen Country-Musiker musizieren derart schwungvoll drauflos, dass es eine wahre Freude ist. Und wenn das Brüderpaar bislang karge und nur auf das Notwendigste instrumentierte Songs vorlegte, die ohne technische Effekte in einer Art Wohnzimmeratmosphäre eingespielt wurden, so wird nun die ganze Studiotechnik genutzt und Synthesizer genauso vorteilhaft eingesetzt wie Electronic-Drums.
Auch stilistisch hat die Band die engen Countryfolk-Grenzen übersprungen und arbeitet sich an mittlerweile gängigen Americana-Stilen ab, die durchaus auch Ausflüge in Richtung in Hip-Hop oder einen Jodel-Exkurs zulassen und ein zeitgemäßes Americana-Patchwork ergeben. In den Texten werden dagegen reichlich Probleme, wie das Ende einer Ehe, unerwiderte Liebe oder die Endlichkeit des Seins gewälzt, was sich in der Musik nicht niederschlägt. Die Botschaft, die die Avett Brothers verbreiten wollen lautet: Liebesleid macht dich stärker und lass deine Zukunft nicht von der Vergangenheit bestimmen.

Mick Harvey: "Delirium Tremens"

Etwas gediegener und nachdenklicher geht es auf dem neuen Album des australischen Musikers Mick Harvey zu, der mit "Delirium Tremens" nach zwanzig Jahren Pause sein Langzeitprojekt mit der Übertragung des Werkes von Serge Gainsbourg ins Englische, fortsetzt. Das dritte Album dieser Reihe bietet Songs aus verschiedenen Schaffensphasen der französischen Chanson-Legende, die Harvey von dezenten Streichern über poppig-dominante Gitarren bis zu kräftig garagenrockigen Arrangements in die Jetztzeit überführt. Das gelingt nicht immer, manchmal verliert sich die Atmosphäre und der Charme der Originale zu sehr. Kein schlechtes Album, dass aber dennoch Fragen nach dem Sinn der Aktion offen lässt.
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