Aktion von Feine Sahne Fischfilet und Marteria

"Keine Lust, sich mit Nazis zu arrangieren"

Der Sänger Jan "Monchi" Gorkow (l.) und der Bassist Kai Irrgang von der Band Feine Sahne Fischfilet.
Der Sänger Jan "Monchi" Gorkow (l.) und der Bassist Kai Irrgang von der Band Feine Sahne Fischfilet. © Imago Stock & People
Musiker Kai Irrgang im Gespräch · 23.08.2016
Mit Rap und Punk gegen den Rechtsruck in Mecklenburg-Vorpommern - darum geht es dem Hip-Hop-Künstler Marteria und der Band Feine Sahne Fischfilet. Im Interview verrät der Bassist Kai Irrgang Details der aktuellen Aktion gegen Nazis.
Die Punkband Feine Sahne Fischfilet spielt mittlerweile deutschlandweit ausverkaufte Konzerte und tritt bei großen Festivals auf, etwa bei "Rock am Ring". Mit einer Aktion gegen den verstärkten Rechtsruck kehren die Musiker in ihre Heimat Mecklenburg-Vorpommern zurück.
Deutschlandradio Kultur: Worum geht es bei der aktuellen Kampagne?
Kai Irrgang: Sie heißt "Noch nicht komplett im Arsch" - das ist eine Anspielung auf einen alten Songtitel. Anlass der Kampagne ist die Landtagswahl am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern. Die AfD wird wahrscheinlich mit rund 20 Prozent in den Landtag einziehen, die NPD liegt aktuell bei rund vier Prozent. Wir wollen auf den Rechtsruck hinweisen, der seit etwa zwei Jahren nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern zu beobachten ist, sondern in ganz Deutschland und in Europa.
Deutschlandradio Kultur: Und was wollen Sie erreichen?
Kai Irrgang: Wir machen uns keine Illusionen, sicherlich werden wir den Ausgang der Wahlen nicht verändern. Aber wir wollen zeigen, dass es hier auch coole Leute gibt. Auch in Regionen, die ein rechtes Image haben, gibt es Ausnahmen - zum Beispiel den Demokratiebahnhof in Anklam, ein tolles Projekt, das wir heute unterstützen.
Blick auf eine Häuserzeile in der Greifswalder Straße im Zentrum der Hansestadt Anklam. Seit Mitte der 80er-Jahre schrumpft hier die Bevölkerung
Die Hansestadt Anklam hat ein rechtes Image.© picture alliance / dpa / Stefan Sauer
Deutschlandradio Kultur: Der Rapper Marteria gibt dort sein einziges Konzert in diesem Jahr. Wie konnten Sie ihn für die Aktion gewinnen?
Kai Irrgang: Es ging uns darum, Leute anzusprechen, die auch ein etwas anderes Publikum für die Aktion gewinnen können. Marteria kommt aus Rostock, er ist mit Mecklenburg-Vorpommern verbunden und wir kennen uns. Eigentlich hat unser Sänger ihn nur gefragt, ob er sich mit dem Plakat für die Aktion fotografieren lassen würde. Er wollte uns noch stärker unterstützen - und so entstand die Idee für den Auftritt in Anklam.

Die Ankündigung des Konzerts von Marteria in Anklam:

Deutschlandradio Kultur: Ein Ort von vielen in Mecklenburg-Vorpommern, die kein gutes Image haben.
Kai Irrgang: In der "Zeit" stand gerade wieder ein Artikel über Anklam. Sinngemäß ging es darum, dass sich die Jugendlichen hier, auch wenn sie selbst keine Nazis sind, mit den Nazis arrangieren müssen. Fährt man in die Stadt, begegnet einem der "Nationale Bücherdienst", das NPD-Büro fällt sofort auf und auch der "Nationale Pflegedienst".
Deutschlandradio Kultur: Warum macht sich der Hass auf Fremdes auch dort breit, wo es keine Fremden gibt?
Kai Irrgang: Wo kein Kontakt mit Menschen aus anderen Ländern stattfindet, verbreiten sich Vorurteile besonders schnell. Das Leben in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen unterscheidet sich zum Beispiel von dem in Berlin-Kreuzberg. In der Provinz und in kleinen Städten können sich die Bewohner nicht selbst vom Gegenteil überzeugen. Aber es gibt in Mecklenburg-Vorpommern auch eine andere Seite.

"Es gibt coole Leute"

Deutschlandradio Kultur: Nämlich?
Kai Irrgang: Leute, die keine Lust haben, sich mit den Nazis zu arrangieren. Die machen ihr eigenes Ding - zum Beispiel im "Demokratiebahnhof" und dem Jugendzentrum "Abstellgleis".
Deutschlandradio Kultur: Warum engagiert sich Ihre Band gegen den Rechtsruck, aber nicht für eine bestimmte Partei?
Kai Irrgang: Das ist uns nicht wichtig. Wir wüssten auch gar nicht, für welche Partei wir Werbung machen sollten. Es gibt coole Leute, aber keine explizit coole Partei.
Deutschlandradio Kultur: Kommt das Misstrauen gegenüber den großen Parteien und der Landesregierung auch davon, weil Ihre Band im Bericht des Verfassungsschutzes beschrieben wurde?
Kai Irrgang: Nein, im aktuellen Bericht kommen wir auch nicht mehr vor.
Deutschlandradio Kultur: Sie sind als Band ja auch gerichtlich dagegen vorgegangen. Warum hatte es der Verfassungsschutz ausgerechnet auf Feine Sahne Fischfilet abgesehen?
Kai Irrgang: Weil wir immer ganz klare Aussagen getroffen haben. Wir verlassen uns nie auf Parteien und die Polizei - das galt dann als staatsfeindlich.
Das Interview führte Maurice Wojach.

Die Band Feine Sahne Fischfilet gibt es seit fast zehn Jahren. Die Mitglieder kommen unter anderem aus Wismar, Demmin und Rostock. Die Band enagiert sich seit Jahren gegen Rechtsradikalismus. Nachdem Feine Sahne Fischfilet 2012 im Verfassungsschutzbericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern vorgekommen war, gewann die Band einen Gerichtsprozess, in dem es um die Verwendung eines Bandfotos ging. Mehr Infos zur aktuellen Aktion gibt es auf der Homepage der Band.

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