Erfahrungsaustausch in der Arbeitswelt

Vom Obdachlosencafé zurück in den Chefsessel

Manager
Manager im Büro © imago stock&people
Von Godehard Weyerer · 21.03.2016
Nach einer Woche Arbeit mit Obdachlosen und anschließendem freien Wochenende begann für Thomas Rech wieder der normale Arbeitstag in Bremerhaven. Jetzt ist er wieder Chef von 1300 Mitarbeitern und die gesammelten Eindrücke wirken nach.
"War es vorletzte Woche? Wann war es denn. 18. bis 22. ... Ja, vorvorletzte Woche."
Thomas Rech sitzt am runden Besprechungstisch in seinem Büro im dritten Stock. Vor seinem Fenster sieht er, wie ein Autotransporter im Hafenbecken festgemacht hat. An Bord haben 6000 Fahrzeuge Platz. Vier solcher Ozeanriesen liegen zurzeit in Bremerhaven. Und müssen zeitgleich abgefertigt werden. In zwölf Stunden wollen sie wieder in See stechen. Verspätungen ziehen empfindliche Konventionalstrafen nach sich.
"Meine Mitarbeiter sagten mir immer, dass ich doch in der einen oder anderen Stelle sehr dominant unterwegs bin. Und sie haben schon festgestellt, zumindest in den letzten beiden Wochen, dass ich mich an der einen oder anderen Stelle verändert habe. Ich versuche mehr zuzuhören. Und meine Leute noch mehr am Entscheidungsprozess zu beteiligen. Nicht, dass ich das vorher nicht gemacht hätte an der ein oder anderen Stelle. Ich versuche, das jetzt noch mehr zu machen, aber nicht so, dass es wirkt, als wenn ich jetzt jemand völlig anderes wäre, sondern mit Bedacht und step by step."

Der 47-Jährige ist wieder voll im Geschäft, und doch wirken die Eindrücke und Erfahrungen des Seitenwechsels nach.
"In der Gestaltung des Arbeitsalltages insofern präsent, als ich mit meinen direkten Mitarbeitern über die Erfahrungen der Woche gesprochen habe, meine Eindrücke rüber gekegelt habe und das Nachdenklichkeitsthema weitergegeben habe. Insbesondere wie gut es uns allen geht, auch wenn wir jeden Tag immer wieder sagen, oh was ist das hier alles nur für ein Chaos, wie anstrengend usw., usw. Einfach so einen Vergleich zu haben, wie es auch gehen kann."

Freie Wirtschaft hat wenig zu tun mit Sozialarbeit

In der freien Wirtschaft soll jedes Ziel möglichst schnell und effektiv umgesetzt werden. Sozialarbeit, weiß er jetzt, funktioniert anders.
"Terminhatz habe ich da nicht gemerkt. Zeitlichen Druck habe ich da wirklich nicht gespürt und trotzdem war jeder Tag wahnsinnig schnell zu Ende. Wenn ich aus der Business-Ecke drauf gucke, dann stelle ich mir schon die Frage, warum macht man das Café nicht einfach länger auf. Von neun bis 16.00 Uhr ist ja schön, dass es so was überhaupt gibt, aber warum macht man es nicht von sechs bis acht oder von sieben bis sieben."

Sagt der Manager in ihm. Thomas Rech jedenfalls würde das Angebot im Obdachlosencafé stärker kundenorientiert ausrichten, die Öffnungszeiten mehr nach den Wünschen und Bedürfnissen der Gäste ausrichten. Aber das ist nur so eine Idee.
"Genaueres dann in einem halben Jahr vielleicht. Zwei Wochen sind ja doch ein bisschen kurz, da ist der Eindruck noch frisch. Ich hoffe nicht, dass es so schnell verpufft wie bei manch anderen Seminaren. Aber dafür waren die Eindrücke doch zu tief."