Afrikanischer Tanz beim "Africolor"

Tänzer von phänomenaler Virtuosität

Mitglieder der Traditionstanzgruppe "Wonseuyo" aus der Elfenbeinküste bei einem Auftritt in Abidjan.
Aufwändige Masken und Akrobatik kennzeichnen den "Ballets Africains". © picture alliance / dpa / Legnan Koula
Von Martina Zimmermann · 06.12.2016
Auf dem renommierten "Africolor"-Festival in Paris sind diesmal auch Tanzkompagnien aus Afrika eingeladen. So soll die Tradition des "Ballets Africains" wiederbelebt werden. Diese ist geprägt von farbenprächtigen Kostümen, Masken, Akrobatik und Perkussion.
Ein Magier in rotem Gewand mit einer roten Maske, spitzer Nase und spitzem roten Hut auf dem Kopf betritt die Bühne. Mit einem Wedel vertreibt er böse Geister. Ihm folgt eine Gestalt in einem Fellkostüm mit langen bunten Haaren und einer Tiermaske mit Hörnern; sie bringt die magische Trommel, um die es in der Geschichte der Show geht.
Der Leiter des "Ballet de Casamance", Lamine Sow, ließ sich von den Initiationsriten inspirieren, die in der Casamance in Südsenegal im sog. Heiligen Wald stattfinden - sie sind geprägt von Animismus und Ahnenkultur.
"Wenn du initiiert bist, hörst du den Ton des Heiligen Waldes. Wenn nicht, träumst du nur davon. Und wenn du wach bist, hörst du ihn nicht. Die Alten behaupten, die Geister trommeln diesen Sound im Heiligen Wald. Wenn eine Initiationszeremonie nur alle paar Jahre stattfindet, wollen junge tollkühne Männer nicht so lange warten. Sie ziehen in den Wald, obwohl das gefährlich und verboten ist. Dort begegnen sie den Geistern. Manche Männer fliehen, andere verirren sich. Nur einer schafft es bis zum Heiligen Ort. Er wird initiiert und bringt die magische Trommel ins Dorf, die Glück und Regen bringt."

"Keiner sucht mehr nach der authentischen Kultur"

Lamine Sow ist Autor, Komponist, Sänger, Tänzer und Perkussionist. Der in Frankreich lebende Senegalese unterrichtet auch am Konservatorium in Aubervilliers bei Paris Perkussion und afrikanischen Tanz. Er ist der Sohn des Begründers eines berühmten Balletts in Senegal, dem Ballet Bougarabou der Casamance.
"Bei uns waren immer mehr als 60 Leute im Haus. Sie schliefen da, aßen bei uns, die Künstler kamen aus Guinea, Senegal, der Elfenbeinküste oder aus Mali. Auch Europäer schliefen bei uns. Das Zusammenleben war nicht immer leicht. Das war schwer zu managen und ich sagte zu meinem Vater, hör damit auf, ruh dich aus in der Familie. Aber heute reise ich viel und sehe, wie die Leute überall die afrikanische Kultur zur Ware machen. Man macht ein Konzert, spielt, wird bezahlt und das war’s. Keiner sucht mehr nach der authentischen Kultur."
Im afrikanischen Ballett sind verschiedene künstlerische Darstellungsformen vereint. Einfallsreiche Kleider und Kostüme lassen so manchen Modemacher vor Neid erblassen. Die Gesänge ehren das Mandingo-Königreich des 13. Jahrhunderts, huldigen Göttern mit einem christlichen Halleluja oder einem muslimischen Alhamdulila. In der Choreografie finden die Tänze der verschiedenen Ethnien zusammen.
Auch die Instrumente repräsentieren Westafrika. Mindestens sieben verschiedene Perkussionstrommeln kommen zum Einsatz, darunter das senegalesische Sabar und das aus vier Trommeln bestehende Bougarabou aus der Casamance. Hinzu kommt das Balafon der Mandingos.
Theaterszenen erheitern das Publikum, etwa wenn der König von den verschiedenen kulinarischen Spezialitäten erzählen will und ihm seine Frau ins Wort fällt.

Schönheit, Grazie und Lebensfreude

Die Tänzerinnen und Tänzer beeindrucken mit akrobatischen Vorführungen, sie bewegen sich virtuos zu komplexen Rhythmen. Maguette Bangoura erklärt:
"Diese Bewegungen zeigen die Schönheit der afrikanischen Frau im Allgemeinen und der senegalesischen im Besonderen: Schönheit, Grazie und Lebensfreude."
Die Tänzer wirbeln regelrecht über die Bühne, Aliou Diallo schlägt fünf Räder hintereinander:
"Man muss gelenkig sein, es braucht Kraft, Gelenkigkeit, Konzentration und Technik."
Aliou Diallo ist einer der neun Künstler des "Ballet de Casamance", die aus dem Senegal nach Paris kamen und gemeinsam mit in Europa lebenden Musikern die Show präsentieren. Die Senegalesen trainieren zwar seit drei Jahren für dieses Projekt, aber das französische Konsulat war zunächst misstrauisch, mutmaßte, dass die Künstler illegal in Frankreich bleiben würden.
Die Veranstalter des Africolor-Festivals ließen nicht locker, schließlich bekamen die Mitglieder des Balletts ihre Visa für den Auftritt. Der in Frankreich lebende Lamine Sow braucht die Künstler für seine Show – und das nicht nur, weil sie in ihrer Kultur fest verankert sind:
"In Frankreich haben die Künstler keine Zeit zum Arbeiten, zum Forschen oder zum Proben. Hier muss jeder seine Miete zahlen. Wenn du jemand anrufen willst, musst du erst einen Übungssaal reservieren und zahlen, dann kommen die Künstler mit Verspätung und wollen erst mal essen – das ist nicht derselbe Kontext. Diese Künstler aus Senegal sind professionell. Tanzen, singen, trommeln können die alle! Ich habe nur die Konvergenz geschaffen und das Thema geschrieben, das wir spielen. Nun zeigen wir dem Publikum hier den Wert der afrikanischen Kultur."

Renaissance des afrikanischen Balletts?

Mit Hilfe des Africolor-Festivals gründet Lamine Sow derzeit eine Schule für Tanz und Musik im senegalesischen Badeort Saly. Er träumt davon, mit seiner Show durch die Welt zu ziehen – wie einst sein Vater.
Die Aufführungen zum Africolorfestival als Auftakt für eine Renaissance des afrikanischen Balletts? Die afrikanischen Musiker und Tänzer sind von phänomenaler Virtuosität, aber Visa- und Finanzierungsprobleme für Truppen mit mehr als einem Dutzend Künstlern sind zumindest in Europa bedeutende Hindernisse.
Vielleicht liegt die Zukunft in Afrika: Lamine Sow kehrt in sein Heimatland Senegal zurück, sobald seine Schule funktioniert.
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