Afrika von oben

Rezensiert von Astrid Kuhlmey · 14.11.2005
Schlagzeilen über Afrika haben seit Jahrzehnten die gleiche Tonlage: Bürgerkrieg, Korruption, Hunger, Elend. Der Fotoband "Magisches Afrika" setzt dem ein anderes Bild entgegen: Luftaufnahmen von Landschaften zeigen vor allem die Schönheit des Schwarzen Kontinents, bei denen das Elend ausgeblendet ist.
Der Titel klingt ja etwas esoterisch, so ein wenig wie: "Es war einmal…" Das stimmt, wenn man nur den Titel nennt, der vielleicht ein bisschen mit der Wurst nach der Werbespeckseite wirft. Man korrigiert sich aber sofort, wenn man den Bildband in A3-Format angeschaut hat.

Und darum tue ich ausnahmsweise auch einmal etwas, was man gemeinhin als Rezensentin nicht tut: Ich sage gleich am Anfang, dass ich so wunderbare, ja eben magische Bilder einer Landschaft bisher selten gesehen habe. Und der Untertitel "Durch die Augen der Götter" nimmt vermutlich vor allem auf den formalen Aspekt, die Luftaufnahmen, Bezug und hat dafür eben eine poetische Formel gewählt.

Also keine Esoterik mit "Es war einmal", sondern Aufnahmen des afrikanischen Kontinents aus der Vogelperspektive, die zugegeben die zitierten Schlagzeilenmotive ausblenden und gänzlich auf die Schönheit der Landschaften blicken.

Zunächst sind es bis auf wenige Aufnahmen Fotos von Landschaften, in denen keine Menschen vorkommen. Fast alle Bilder sind doppelseitig, haben also Plakatgröße. Eines der ersten beispielsweise zeigt nur die Verwehung einer Sanddüne, deren Form den Umriss des afrikanischen Kontinents bildet.

Ein anderes wird von einem grünen Teppich aus Wasserpflanzen dominiert, aus dem sich in Abständen dunkle Steinhügel erheben, die beim genauen Hinschauen Flusspferde sind.

Ein weiteres erinnert an ein abstraktes Gemälde von Cy Twombley: Fast sternförmig schlängeln sich sandfarbene helle Linien auf einen Kreis im Mittelpunkt des Bildes zu – das sind Trampelpfade zu einer Wasserstelle. Oder ein letztes Beispiel: eine Kamelkarawane, die von ihren riesengroßen Schatten begleitet wird.

Die Farben der Fotos schimmern in überwältigenden Farben: Rostrot, Silber, Grün. Sand in all seinen unglaublichen Schattierungen.

Mir ist das wirklich lange nicht passiert: Ich saß in meinem Sessel, das Buch auf den Knien und habe wieder und wieder laut und begeistert einfach für mich meiner Begeisterung Ausdruck gegeben.

Man könnte nun rhetorisch fragen: Die Schlagzeilen sind für das Elend da und die Fotos beschreiben das Paradies. Wird damit nicht letztlich auch Realität manipuliert oder sehr einseitig dargestellt?

Ich empfinde es nicht als einseitig, denn es ist ja bekannt und auch belegt, dass wir nur sehen, was wir wissen. Ich meine damit, dass man diese atemberaubenden Bilder des afrikanischen Kontinents voller Faszination sieht, aber dabei eben nicht vergisst, welcher Gefährdung diese Schönheit ausgesetzt ist. Und man lehnt sich nicht einfach genusssüchtig zurück, sondern man empfindet wirklich so eine Art Verantwortung für diesen Kontinent, weil diese Fotos wirklich Chiffren für die Schöpfung sind. Das sage ich auch auf die Gefahr hin, dass das möglicherweise ein wenig pathetisch klingt.

Aber ich bin eher lakonisch gestimmt und neige nicht so schnell zu solchen Äußerungen – hier empfinde ich sie als wirklich angebracht.

Der Autor Robert B . Haas ist Vorstandsvorsitzender einer Investmentfirma in Dallas, außerdem Professor in Yale und Harvard. Daneben hat er sich immer der Fotografie gewidmet und sich seit 2002 mit seinen Luftaufnahmen ausschließlich auf Afrika konzentriert, wo er aber schon vorher mit der Kamera unterwegs war. Doch ab 2002 ist er etwa drei Jahre immer wieder und ausschließlich über Afrika geflogen und hat seine Motive gesucht. Seine früheren Bücher hat er übrigens nie verkauft, sondern Schulen und Bildungseinrichtungen in den USA als Schulmaterial überlassen.

Warum er sich für Luftaufnahmen entschieden hat, ist keineswegs eine rein spektakuläre Intention. Natürlich, der Dreck, das Desolate, Zerstörerische rücken eher in weite Ferne. Aber das Kostbare der Landschaft wird aus dieser Entfernung noch eindrücklicher erlebbar.

Aber es gibt auch weniger passionierte Begründungen: Bestimmte Landschaften kann der Fotograf gar nicht oder nur sehr schwer abbilden – Sümpfe, Bergwelten, die schwer oder fast gar nicht begehbar sind. Das aber ist alles möglich aus dem Hubschrauber, aus der Vogelperspektive. Zudem ist die Fotografie aus der Luft, wenn auch nichts gänzlich neu, so doch noch in der Entwicklung, damit natürlich für einen Fotografen wie Haas besonders anziehend.

Es gibt, das sollte nicht vergessen werden, auch Textpassagen von Haas selber und seiner kollegialen Freundin Kuki Gallmann, die seit Anfang der 70 er Jahre in Kenia lebt und deren Autobiografie "Ich träume von Afrika" in 21. Sprachen übersetzt und mit Kim Basinger in der Hauptrolle auch verfilmt wurde.

Das ist - und ich bin ein Stadtmensch durch und durch – ein Buch, das einen vor der Natur regelrecht niederknien lässt und, ganz prosaisch gesagt, mit 29,95 Euro eine Art "Sonderangebot" der edelsten Art .


Magisches Afrika - Durch die Augen der Götter
Phantastische Luftaufnahmen von Robert B. Haas
Einleitung von Kuki Gallmann
National Geographic
208 Seiten, 102 Fotos für 29,95 Euro