Afrika

Manche Heilungen waren wie Wunder

Von Dorothee Adrian · 21.12.2013
Das Wasser muss aus dem Fluss gepumpt werden, die Stromversorgung bricht immer wieder zusammen: Im Krankenhaus im afrikanischen Urwald arbeiteten Claudia und Daniel Bender drei Jahre lang unter verschärften Bedingungen. Trotzdem machten sie viele wunderbare Erfahrungen.
Drei Jahre lang lebten Claudia und Daniel Bender, 40 und 41 Jahre alt, im Regenwald in Kamerun. Seit diesem Sommer sind sie zurück und sie fühlen sich noch „zwischen den Welten“, wie sie sagen. Manyemen ist wirklich wie eine andere Welt. Das Dorf liegt im Südwesten Kameruns, mitten im Urwald. Überall grün, wohin das Auge reicht, nur über Sandpisten ist es zu erreichen.
In der Regenzeit allerdings verwandeln sich diese in riesige Matsch-Flächen, sodass das Krankenhaus dann fast völlig abgeschnitten ist. Bis heute gibt es in dem Dorf keine staatliche Infrastruktur. Wasser kommt über ein Pumpsystem aus dem Fluss, Strom aus dem Generator – wenn es denn klappt.
Vor 60 Jahren wurde das Krankenhaus von Basler Missionaren als Lepra-Spital gegründet. Vor drei Jahren, als Claudia und Daniel Bender dort ihren Einsatz begannen, war es jedoch völlig heruntergewirtschaftet, der Krankenhausbetrieb war fast zum Erliegen gekommen.
Zunächst grundlegende Aufbauarbeiten
Claudia Bender: "Also, wir sind sehr gewarnt worden, weil das Krankenhaus wohl sehr heruntergekommen sein sollte, und es war auch nicht einfach am Anfang, weil es im Prinzip keine Patienten gab und kein Personal, kein Wasser floss und es Probleme mit dem Strom gab. Das war natürlich für eine Familie aus Westeuropa mit drei kleinen Kindern nicht ganz einfach am Anfang."
Zunächst mussten die Ärzte sich also um grundlegende Aufbauarbeiten kümmern. Die Wasserpumpe und der Generator samt Stromleitungen mussten repariert werden, weiteres gutes Personal gefunden und geschult werden, Abläufe im Klinikalltag mussten etabliert werden.
Daniel Bender: "Wir waren schon auf relativ widrige Umstände eingestellt, wobei man sich das so ganz praktisch eben doch nicht vorstellen kann, wie sich's anfühlt, wenn man keinen Strom und kein Wasser hat, das war auf der einen Seite schon beschwerlich, auf der anderen Seite hatten wir am Anfang nicht das Gefühl, dass das das Falsche ist oder ob wir uns geirrt haben, sondern nachdem wir uns für das Projekt interessiert hatten, waren wir uns auch relativ sicher, dass das der richtige Weg ist für uns - und auch von unserem Glauben her die Überzeugung, dass das jetzt so gottgewollt ist, und mit dieser Sicherheit sind wir auch über die erste Zeit hinübergekommen.
Operationssäle und Patientenzimmer wurden renoviert, Toilettenhäuschen gebaut, und nach und nach kam neues Leben ins Spital Manyemen, das einst ein angesehenes, großes Krankenhaus mit vielen hundert Patienten gewesen war. Die Fortschritte machten den lokalen Mitarbeitern Hoffnung, die sie auch äußerlich ausdrücken wollten: Sie ersetzten das alte, rostige Eingangsschild durch ein neues.
"Schon immer für Entwicklungshilfe interessiert"
Auch das Vertrauen der Menschen der umliegenden Dörfer wuchs wieder. Sie kommen heute in tagelangen Fußmärschen , werden von ihren Verwandten getragen oder auf abenteuerlichen Wegen mit dem Motorrad gebracht. Manche haben Tuberkulose, andere HIV/Aids, auch einige Lepra-Patienten gibt es immer noch. In den letzten drei Jahren entwickelte sich das Krankenhaus zudem immer mehr in Richtung Geburtsklinik, da Claudia Bender Fachärztin für Geburtsmedizin ist. Traditionellerweise bekommen Frauen ihre Kinder im ländlichen Kamerun zuhause, ohne Hebammen oder Ärzte, weshalb viele Mütter und Babys sterben. Die Zahlen liegen um ein Vielfaches über denen in Europa.
Auch wenn das Krankenhaus zu Beginn ihres Einsatzes in einem desolaten Zustand war, war es der Gynäkologin und dem Anästhesisten wichtig, in eine christliche Klinik zu gehen. Claudia Bender ist katholisch, Daniel Bender evangelisch. Das Spital Manyemen wird von der Presbyterianischen Kirche Kameruns geführt und von ihrer Partnerorganisation mission 21 aus Basel unterstützt.
Claudia Bender: "Wir haben uns eigentlich beide schon immer für Entwicklungshilfe interessiert, im letzten Jahr vom Studium waren wir für sechs Monate in Ecuador, in einem kleineren Missionskrankenhaus, und haben dort ein Praktikum gemacht, was uns sehr gut gefallen hat - wo wir aber auch zu dem Schluss gekommen sind, dass eine Facharztausbildung wichtig ist für einen entsprechenden Einsatz."
Jesus aus Nazareth ist das Vorbild
Spezialisierte Ärzte sind umso wichtiger, da es vor Ort kaum ausgebildetes Personal gibt. Die Bedingungen im Krankenhaus sind sehr einfach. Schwerstkranke, die in Deutschland sofort auf die Intensivstation kämen, liegen hier in Manyemen in Sechs- bis Acht-Bett-Zimmern. Operationen, die hier unter Vollnarkose gemacht werden, werden dort unter lokaler Betäubung vorgenommen, da nach der OP keine technische Überwachung der Atmung möglich ist, berichtet der Anästhesist Daniel Bender. Das macht das Operieren schwieriger, die Muskeln sind dann weniger entspannt als bei einer Vollnarkose.
Was veranlasst ausgebildete Fachärzte dazu, in so einem Kontext zu arbeiten, wo es an allen Ecken und Enden fehlt? Für Familie Bender war es das Vorbild Jesus aus Nazareth, der nicht nur predigte, sondern auch heilte.
Daniel Bender: "Wir sind beide überzeugte Christen, und haben auch im Studium aktiv in einer christlichen Gruppe mitgearbeitet, und diese Verbindung von ärztlichem Handeln und christlichem Glauben war immer etwas, was unserer Überzeugung entsprochen hat, und dementsprechend fanden wir es auch sehr herausfordernd und auch das Richtige für uns, im Zusammenhang eines 'Missionsspitals' zu arbeiten, wo der Glaube auch eine wichtige Rolle spielt im Gesamtkonzept der Heilung der Patienten."
Insgesamt ist der Glaube an Übernatürliches in Kamerun sehr präsent, erzählen Benders. Manchmal sei es befremdlich gewesen, wenn sich Ahnenkult und Angst vor Hexerei mit christlichem Glauben mischen. Dennoch habe es Vertrautes gegeben. Zum Beispiel die Elemente der Gottesdienste: Singen, Lesung aus der Bibel, Interpretation der Textstelle und Dank. Auch die Auffassung der Bibel als Orientierung für das Leben als Christ haben Benders mit kamerunischen Christen geteilt. Dass das Spital Manyemen kirchlich ist, wird jeden Tag sichtbar und spürbar:
Daniel Bender: "Die Arbeitszeit fängt offiziell um 7 Uhr 30 mit einer Morgenandacht an, und zum Beispiel vor Operationen wird mit den Patienten zusammen gebetet und um den Beistand Gottes gebeten, die Leute leben viel intensiver mit einer nicht-sichtbaren Welt, und dann kann man häufig auch sehen, dass Patienten sich untereinander austauschen oder sich gegenseitig etwas aus der Bibel vorlesen, es gibt ja nicht so viele Bücher, und viele können auch nicht so gut lesen, aber wenn ein Buch gelesen wird, ist es fast immer die Bibel.
OP nach einer telefonischen Beratung
Die meisten der Patientinnen und Patienten sind sehr arm. Sie leben von dem, was sie für den Eigenbedarf anbauen, und verdienen oftmals nur durch den Verkauf von Kaffee oder Kakao, den so genanten „Cash Crops“, etwas Geld. Eine Krankenversicherung gibt es nicht, sodass sie sich das Geld für die Behandlung mühsam absparen oder im Familienkreis sammeln müssen.
Daniel Bender: "Christen, die ich dort kennengelernt hab, die leben von der Hand in den Mund, und nehmen halt vieles auch unmittelbarer dann auch aus Gottes Hand, haben auch ein tiefes Vertrauen, dass es trotz aller Schwierigkeiten morgen auch irgendwie gehen wird. Wo wir vielleicht sagen würden: O weih, o weih, das kann ja alles gar nicht passen."
Die beiden Ärzte haben vielen Menschen geholfen und – wie sie sagen mit Gottes Hilfe – auch Leben gerettet. Manche Heilung erlebten sie als Wunder. Da war zum Beispiel das Neugeborene, das aufgrund eines Darmverschlusses fast gestorben wäre. So eine komplizierte Operation war unter den Bedingungen im Busch extrem schwierig zu realisieren. Dennoch wagte das Ehepaar sie nach längeren telefonischen Beratungen mit einer befreundeten Chirurgin. Das Baby überlebte und entwickelte sich völlig gesund.
Noch lieber als von solchen Erlebnissen erzählen Benders jedoch, was sie in ihrem dreijährigen Einsatz im Busch-Krankenhaus von den dortigen Patienten gelernt haben:
Daniel Bender: "Trotzdem sie eben teilweise ein sehr, sehr schweres Schicksal mit sich tragen, was von den Erkrankungen her gar nicht unbedingt geheilt werden kann in dem Sinne, sondern nur in irgendeiner Form gelindert, und trotzdem können sie solch eine Freude und solch eine Strahlung abgeben, die einen berührt, beeindruckt und auch etwas beschämt, wo man doch denkt, dass man kerngesund ist, dass man alles hat, was man braucht, und trotzdem immer wieder so viele Gründe zum Meckern findet. Ich denke, dass ich da viele Vorbilder gesehen habe in diesem Bereich."