Afrika-Krimi ohne Klischee

Rezensentin: Andrea Fischer · 03.05.2005
Benin ist ein in Deutschland wenig bekannter und recht kleiner afrikanischer Staat. Dort lebt Ada Simon, freie Fotografin aus Deutschland. Ihre Basisstation ist Cotonou, der Regierungssitz Benins, dort trifft sie ihren guten Freund Patrik in ihrer beider Stammlokal. Doch fast vor ihren Augen wird Patrick umgebracht. Und merkwürdig viele Leute beginnen, Lena unter Druck zu setzen, sie wollen, dass sie sich nicht für den Mörder interessiert und sie wollen ihre Fotos.
Doch Ada Simon will nur fotografieren, sie arbeitet an einem Buch, in dem sie die traditionellen Arbeitsformen afrikanischer Frauen dokumentieren möchte. Dafür reist sie durch ganz Benin, dabei gerät sie in manche gefährliche Situationen. Offenbar steckt hinter dem Mord an Patrick mehr als eine persönliche Fehde.

Ada Simon ist vermutlich Anfang bis Mitte Dreißig, sie ist keine Kriminalistin, sie wird nur in die Händel anderer verstrickt und versucht zu überleben. Sie mag Afrika, besonders Benin, und sie käme gar nicht auf die Idee, sich in die Ghettos der reichen Weißen zurückzuziehen. Sie hat sich wirklich auf ihr Gastland eingelassen. Voodoo versteht sie zwar nicht, aber warum es nicht trotzdem mal mit einer Zauberei versuchen? Ansonsten ist sie das, was man heutzutage wohl eine coole Heldin nennt, hart im Nehmen, nicht gefühlsduselig, flirtet gern und wehrt sich gegen dumme und eitle Männer mit feinster Ironie.

Aus deutscher Sicht ist Afrika ein exotischer Schauplatz, aber Lena Blaudez fällt nicht in die Klischee-Falle. Sie erzählt lebhaft und anschaulich von Benin und dem Leben der Menschen dort, sie spricht offen über die Fremdheit, mit der eine Deutsche dem zuweilen begegnet, aber niemals folkloristisch verkitscht, ganz im Gegenteil. Die korrupten politischen Verhältnisse scheinen ebenso als Thema auf wie die Absurdität internationaler Entwicklungshilfe. Eben das ganze Leben in all seinen Facetten – so muss man über Afrika schreiben: nüchtern, voller Zuneigung und deshalb klarsichtig.

"Spiegelreflex" ist der erste Roman von Lena Blaudez. Sie ist freie Journalistin in Berlin, in ihrem bewegten Leben hat sie auch einige Jahre in Entwicklungsprojekten gearbeitet, eben in Benin. Aber sie hat der Versuchung widerstanden, ihre Erfahrungen zu einem Pamphlet zu verarbeiten, sie will keine Botschaften senden, sondern es geht ihr nur um eine gute Erzählung. Das spüren ihre Leser, die ein lakonisches, schnelles, witziges und bewegendes Buch erwarten dürfen. Es ist schön, dass wir uns auf weitere Abenteuer mit Ada Simon freuen können. Lena Blaudez hat es versprochen.

Lena Blaudez: Spiegelreflex. Ada Simon in Cotonou
Roman
Unionsverlag, 267 S., 19,90 €