Ägypten

Neue Regierung, alte Verbote

Demonstration gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen in Kairo
Junge Ägypter, die sich politisch engagieren - etwa gegen sexuelle Gewalt - werden immer häufiger vom Staat dafür bestraft. © KHALED DESOUKI / AFP
Von Jürgen Stryjak · 20.11.2014
In Ägypten drehen sich die Uhren knapp vier Jahre nach dem Sturz des Diktators Mubarak wieder rückwärts. Demonstranten landen im Gefängnis, Studenten wird ihr politisches Engagement untersagt.
Während des Volksaufstandes von 2011 verbreiteten sich die Videos des bis dahin unbekannten Rappers ZAP Tharwat plötzlich wie Lauffeuer im Internet. Nach dem Sturz von Hosni Mubarak waren es sogar Hundertausende, die sie anschauten – politische Texte, mit einer Wucht vorgetragen, als könnte niemand die Revolution stoppen.
Jetzt sind seine Texte immer noch zornig, aber nicht mehr optimistisch. Von Dieben, die den Menschen ihre Rechte stehlen, ist in seinem neuesten Lied die Rede. Der Song heißt: "Wir sind eine Generation – ihr eine andere".
Zwei Präsidenten hat das Volk seit 2011 gestürzt, zuerst Mubarak, dann Muhammad Mursi, den Präsidenten der islamistischen Muslimbruderschaft. Jetzt hat Ex-General und Feldmarschall Abdel-Fattah Al-Sisi die Macht im Land. Die beiden Generationen, von denen der Rapper ZAP Tharwat singt, das sind auf der einen Seite die, die noch zu jung zum Resignieren sind, und auf der anderen die Alten, die wieder fest im Sattel sitzen.
"In Ägypten herrscht Unterdrückung"
Auch der berühmte Schriftsteller Alaa Al-Aswani, rund 30 Jahre älter als der Rapper, ist desillusioniert. So verurteilt er im Programm des ägyptischen Fernsehsenders ONTV unter anderem das neue Demonstrationsgesetz, das seit einem Jahr gilt:
"Es gibt kein demokratisches Land auf der Welt, in dem man für Jahre im Gefängnis landet, wenn man ohne Genehmigung protestiert. Das Gesetz wurde nicht wegen der Muslimbrüder erlassen, sondern um die revolutionäre Jugend loszuwerden."
Im Sommer des vergangenen Jahres noch glühender Al-Sisi-Unterstützer, beklagt er jetzt, dass jeder, der das Regime kritisiert, als Verräter beschimpft wird.
"In Ägypten herrscht Unterdrückung. Es wird ein Polizeistaat aufgebaut. So wie Mursi die Revolution von 2011 gestohlen hat, so stiehlt das alte Regime jetzt die Revolution von 2013."
Jeder Ruf nach etwas mehr Demokratie und Freiheit wird vom Getöse des so genannten "Kampfes gegen den Terror" übertönt. Präsident Al-Sisi schwört das Volk auf einen Überlebenskampf ein:
"Wir befinden uns in einem Krieg, der unser Land vernichten soll. Ich schwöre bei Gott: Das wird nicht gelingen! Ägypten wird sich wieder aufrichten und stärker werden. Ihr werdet sehen!"
Nun gibt es ja tatsächlich Terrorzellen. Attentate erschüttern immer wieder das Land. Und womöglich haben sich auch Muslimbrüder den Terroristen angeschlossen, nach der blutigen Jagd auf Mursi-Anhänger im vergangenen Jahr mit rund 1000 Toten.
Politische Aktivitäten an Hochschulen sind verboten
Viele Demokratieaktivisten glauben trotzdem, dass die Bruderschaft nur der willkommene Vorwand dafür ist, das Rad komplett zurückzudrehen. 23, zum Teil prominente Bürgerrechtler wurden jüngst zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie friedlich protestiert hatten. Politische Aktivitäten an Hochschulen sind neuerdings untersagt, Militärgerichte wurden mit einer juristischen Allmacht ausgestattet.
Vom so genannten "Arabischen Frühling" ist in Ägypten wenig übrig. Viele in Kairo blicken mit Furcht in den Irak oder nach Syrien, andere mit Neid nach Tunesien, wo jüngst ein neues Parlament gewählt wurde:
"Das ist richtige Demokratie. Es war eine respektable Wahl und kein gewaltsamer Umsturz."
Andere resignieren, wie diese Frau:
"Schluss jetzt! Ich hab' die Nase voll! Ich will nichts mehr von Politik wissen."
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