Ägypten

Kairos Fest der Literatur

Stand eines ägyptischen Buchverlages auf der Kairoer Buchmesse, aufgenommen am 01.02.2013. Zwei Jahre nach der Revolution in Ägypten, die zum Sturz des alten Präsidenten Hosni Mubarak führte, findet erstmalig wieder zum 44. Mal die Kairoer Buchmesse vollumfänglich statt. Insgesamt sind dieses Jahr mehr als 730 Verlage aus zahlreichen arabischen Ländern auf der ältesten Buchmesse im Vorderen Orient vertreten.
44. Kairoer Buchmesse © picture alliance / dpa / Foto: Matthias Tödt
Anne Francoise Weber  · 23.01.2014
Unter dem Motto "Kultur und Identität" findet gerade die 45. Kairoer Buchmesse statt. 755 Verlage aus 24 Ländern stellen ihre Bücher aus. Ganz wichtig: der Markt für gebrauchte Bücher. Dort tummeln sich junge und alte, reiche und arme Menschen.
Der erste Eindruck ist Leere in der öffentlichen Bücherei im Kairoer Mittelklasse-Bezirk Maadi. In der riesigen, kreisrunden Eingangshalle mit umlaufendem Balkon stehen ein paar Stafetten voller bunter Veranstaltungsankündigungen: Malkurse für Kinder, Computerkurse für Hausfrauen, Schmuck herstellen oder chinesisch lernen. Neben dem Eingang leere Tische, darunter leere Halterungen für Computer.
Eine junge Angestellte nimmt die Daten für den Bibliotheksausweis auf - auch das Geschlecht, gleich zweimal, und die Religion müssen eingetragen werden.
Soheir Muhammad, die Leiterin des Leserservice, zeigt stolz den großen, hellen Lesesaal für Erwachsene im zweiten Stock.
"Hier finden sich 44.000 Dokumente, aus den Bereichen Wissenschaften, Politik, Wirtschaft und Literatur, auf Arabisch, Englisch und Französisch. Ergänzt wird das durch das amerikanische Regal, ein Geschenk der amerikanischen Botschaft, mit Dokumenten über Kultur, Wirtschaft und Alltag in den Vereinigten Staaten. Und es gibt das ´Fenster nach China`, mit Material zu allem, was China betrifft."
Nur fünf Leser sind gerade da, darunter die Medizinstudentin Israa Ahmed. Sie hat kein Buch vor sich, sondern große Papierbögen mit vielen eng beschrifteten Kästchen.
"Normalerweise kommen wir hierher, um über Themen zu lesen, die uns interessieren: Romane oder Sachbücher über wichtige Persönlichkeiten oder über Geschichte. Aber jetzt, während der Halbjahresprüfungen, kommen wir zum Lernen. Hier ist es ruhig, und die Umgebung ist besser zum Lernen als zuhause."
Im Lesesaal wird gebüffelt
Acht Stunden täglich sitzt Israa zur Zeit im Lesesaal und büffelt. Anfang Februar, wenn die Prüfungen vorbei sind, kann sie gerade noch die Kairoer Buchmesse besuchen. Dort will sie dann nur Romane kaufen - von Fachbüchern hat sie erst einmal genug.
Soheir Muhammad macht einen kleinen Zwischenstopp bei einem Malkurs für Grundschulkinder und präsentiert schließlich im Erdgeschoss den Lesesaal für Kinderbücher. Sie zieht aus einem Regal, was die Kinder wohl am liebsten lesen:
"Das sind Märchen aus dem Volksgut, aufgeschrieben von dem berühmten Schriftsteller Yakoub Sharouni, zum Beispiel hier: ´Das verzauberte Pferd`, das erzählt vom Leben in früheren Zeiten. Hier steht USAID darauf, weil es von den USA finanziert wurde - wir erstellen eine Wunschliste und sie bezahlen uns die Bücher. "
Unter den Kindern, die sich an kleinen Tischen Bücher anschauen, ist auch Minna Magdy. Am liebsten liest die elfjährige hier Comics von Tom und Jerry - auf arabisch oder auf englisch. Aber nicht nur das:
"!In dieser Bibliothek können wir Geschichten lesen oder malen, Puppentheater anschauen, Playstation spielen - viele tolle Sachen. Ich komme jeden Tag her, mit meiner Mutter und meiner Schwester."
Zur Buchmesse will Minna auf jeden Fall - und weiß schon, dass sie da wieder sehr viel kaufen will.
Marktlücke: deutsche Bücher
Unter den Verkäufern auf der Buchmesse wird auch Magdy Radwan sein. Er betreibt eine Buchhandlung keine 500 Meter von der Bibliothek entfernt - im Untergeschoss eines belebten Einkaufszentrums. Zwischen einem Schuhgeschäft und einem Laden für Sportartikel liegt Adam Bookshop, spezialisiert auf Kinderbücher in vier Sprachen: arabisch, englisch, französisch, aber vor allem deutsch. Denn Magdy Radwan hat acht Jahre in Deutschland gelebt und nach seiner Rückkehr in Kairo diese Marktlücke gefunden.
"Ich habe hier in anderen Buchläden geschaut und keine Bücher auf Deutsch gefunden, nur zwei hier, zwei da. Die habe ich gekauft, sauber gemacht und in ein großes Regal getan. Das war mal der Anfang. Und dann fing ich an kartonweise zu kaufen und bei Reisen aus Deutschland mitzubringen, bis ich bei KNV gelandet bin. Und dann habe ich angefangen, von denen Bücher abzuholen aus Deutschland."
Das Geschäft läuft halbwegs, denn in Kairo gibt es verschiedene deutschsprachige Schulen und Universitäten. In den letzten Jahren allerdings wurde es schwierig:
"Eigentlich brauchen wir hier Stabilität. Wir leben hier auf einem Vulkan, alle zwei, drei Jahre passiert etwas. Und seit zehn Jahren geht mir das so - entweder ist Krieg in einem Nachbarland oder irgendetwas im Land."
Zwar hat nach Radwans Einschätzung mit der Revolution die Bedeutung der Bücher zugenommen, gerade viele junge Leute hätten begonnen, Bücher über Politik zu lesen. Doch die Buchmesse ist weniger ertragreich geworden.
"Wir haben Stände im Zelt. Das alte Gelände wurde zerstört und sie sagen, wir bauen neue, aber seit zwei Jahren, seit der Revolution, wurde nichts gebaut. Und das ist schwierig, das ist keine gute Sache für mich. Ich warte, bis sie ein richtiges Gelände und eine richtige Halle bauen, in der man Bücher verkaufen kann, aber nicht so, was da im Moment ist."
Ein Kunde ist ins Geschäft gekommen und will beraten werden, welches deutsch-arabische Wörterbuch denn das beste sei.
"Ich lerne deutsch, und meine Schwester auch. Ich mag die Deutschen sehr, denn ich habe im Tourismus gearbeitet und mit vielen zu tun gehabt. Ich schätze sie für ihre Ernsthaftigkeit und ihren aufrichtigen Umgang."
Auch Mustafa Samir will auf jeden Fall zur Buchmesse gehen und nach arabischen und deutschen Büchern schauen. Jetzt sucht er aber erst mal im Adam Bookshop nach einer einfachen Deutschlektüre.