Adventskalender 2012

    Täglich eine Geschenkidee

    01.12.2012
    Kulturredakteurinnen und -redakteure von Deutschlandradio Kultur haben einen sehr persönlichen Adventskalender gebastelt. Jeden Tag wird ein Türchen mit Buchgeschenktipps geöffnet. Darunter sind Romane und Krimis, Klassiker und Comics, Sachbücher und Ratgeber, Kinderbücher und Kunstbände.
    Allen Büchern ist dabei eines gemein: Sie wurden mit Herzblut ausgesucht und sollen Lust aufs Lesen und aufs Schenken machen.

    Der akustische Adventskalender ist vom 1. bis zum 24. Dezember zu hören: Im "Radiofeuilleton", werktags um 16.30 Uhr, am Samstag und Sonntag um 11.30 Uhr, und immer abends als Wiederholung in "Fazit" (ab 23.05 Uhr).


    "Montag, 24. Dezember"

    Werner Spies: "Mein Glück. Erinnerungen"
    Hanser Verlag, München 2012, 608 Seiten, 26 Euro

    Verschenkt von Marie Sagenschneider
    "Mein Glück" ist eine trotzige Antwort auf das Unglück: Werner Spies, dessen Renommee beschädigt wurde durch den Kunstfälscherskandal von Wolfgang Beltracchi, verteidigt mit seiner glänzend geschriebenen Biografie fünfzig Jahre großartiges Wirken als Vermittler von Kunst - und als Spurensucher, der selbst den Blick unter Betten nicht scheut.


    "Sonntag, 23. Dezember"

    Bénédicte Savoy (Hrsg.): "Nofretete. Eine deutsch-französische Affäre 1912 – 1931" , böhlau Verlag 2011, 229 Seite, 24,90 Euro

    Verschenkt von Claudia Wheeler
    Bis heute wird immer wieder in regelmäßigen Abständen die Büste der Nofretete von Ägypten zurückgefordert – die vor ziemlich genau 100 Jahren, am 6. Dezember 1912, von deutschen Archäologen im ägyptischen Tell Amarna ausgegraben wurde. Was ist damals wirklich geschehen und was wissen wir tatsächlich über die Grabungspraktiken in Ägypten im vorletzten und letzen Jahrhundert? Bénédicte Savoy hat ein spannendes wie aufschlussreiches Buch geschrieben, dass der Rückgabestreit von Frankreich ins Rollen gebracht wurde und für mindestens 22 Jahre die deutsche Ägyptologie lahm gelegt hat.


    "Samstag, 22. Dezember"

    David Van Reybrouck: "Kongo. Eine Geschichte"
    übersetzt von Waltraud Hüsmert, Suhrkamp, Berlin 2012
    783 Seiten, 29,95 Euro

    Verschenkt von Barbara Wahlster
    Das ideale Geschenk für alle, die an Afrika interessiert sind, die den westlichen Sichtweisen und Einteilungen misstrauen, die ahnen, dass Geschichte mehr ist als die Tagesberichterstattung und dass hinter Kriegen handfeste Interessen stehen – Rohstoffe im Falle des Kongo. David van Reybrouk, ursprünglich Archäologe, arbeitet nicht nur die Kolonialgeschichte und die daraus folgenden Zerrüttungen auf. Er lässt Betroffene zu Wort kommen, beschreibt Alltagsszenen, erzählt von Begegnungen und seinen eigenen Versuchen, die verzwickten Interessenslagen zu verstehen: die Nachwehen des ruandischen Völkermordes, die Rolle der Religionen, die schnellen Allianzwechsel, Hoffnungen, internationale Fehleinschätzungen und neue Wege.


    "Freitag, 21. Dezember"

    Alexej von Jawlensky: "Ich arbeite für mich, nur für mich und meinen Gott"
    Herausgegeben von Erik Stephan, Kunstsammlung Jena
    244 Seiten, 34 Euro

    Verschenkt von Sigrid Wesener
    In leuchtendem Gelborange auf grünen Hintergrund zieht die 1910 gemalte "Spanische Frau" die Blicke auf sich. Sie eröffnet einen farbmächtigen Bilderreigen des Russen Alexej von Jawlensky, zusammengestellt für den Katalog zur Jenaer Ausstellung "Ich arbeite für mich, nur für mich und meinen Gott". 130 Werke von Jawlensky, die verzeichnet und abgebildet sind, wurden aus 35 internationalen Sammlungen und aus privaten Leihgaben für die seit langem umfangreichste Ausstellung des russischen Künstlers zusammengetragen. Vor allem Köpfe im Halbprofil sind typisch für den 1864 gebürtigen Maler, dazu abstrakte Landschaften, die Serien "Heilandsbilder" und abstakte Köpfe. Eine Explosion der Farben kommt dem Betrachter entgegen, hier funkeln blaue, gelbe, grüne Töne, die sein Credo "Ich meditiere mit Farben" ausdrucksstark variieren. Die Schau war gewissermaßen auch eine Heimkehr in die thüringische Kleinstadt, deren Kunstverein zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine gute Adresse für moderne Kunst war. Essays über die verschiedenen Schaffensperioden und über die Jawlensky- Präsentationen 1912 und 1922 im Jenaer Kunstverein zeigen Traditionslinien auf, die durch das erstmals wieder öffentlich gezeigte Gemälde: "Sizilianerin mit grünem Shawl", das von den Nazis als entartet diffamiert und konfisziert wurde, gekrönt wird.


    "Donnerstag, 20. Dezember"

    Maik Kopleck, Vilibald P. Barl: "PastFinder Berlin"
    Pastfinder-Verlag, Berlin 2012
    280 Seiten, 14,90 Euro

    Verschenkt von Winfried Sträter
    Stadtreisende suchen Orientierung, kaufen einen Reiseführer oder buchen eine Stadtführung. Alles gut und richtig. Aber wer ein ausgeprägtes historisches Interesse hat, wer die historischen Dimensionen – auch die Untiefen - einer Stadt erfassen will, ist mit diesem Nachschlagewerk bestens bedient. "Pastfinder Berlin" ist zum halbrunden Stadtjubiläum Berlins (775 Jahre) in diesem Jahr neu herausgegeben worden. Mit vielen Karten, in knappen Texten und einer Fülle von Bildern führt dieses Taschenbuch durch die Stadtgeschichte. Ein effektvoll illustrierter Gang nicht nur durch Stadt-, sondern auch durch Reichs- und Republikgeschichte. Den "Pastfinder" gibt es auch für eine Reihe anderer Städte.


    "Mittwoch, 19. Dezember"

    Patrick Ness, nach einer Idee von Siobhan Dowd: "Sieben Minuten nach Mitternacht"
    Illustriert von Jim Kay, aus dem Englischen von Bettina Abarbanell
    cbj-Verlag (Random House), München 2011
    216 Seiten, 16,99 Euro

    Verschenkt von Roland Krüger
    Seitdem seine Mutter schwer erkrankt ist, plagt den 13-jährigen Conor immer wieder der gleiche, schlimme Albtraum: Finsternis, Wind, ein Schrei und Hände, die er irgendwann nicht mehr festhalten kann, so sehr er sich auch bemüht.
    Eines Nachts steht ein Monster an Conors Bett und hilft ihm aus dem tiefen Tal.
    Patrick Ness und die verstorbene Ideen-Geberin Siobhan Dowd haben es verstanden, ein todernstes Thema ungemein tröstlich zu vermitteln. Es ist spannend bis zum Schluss, frei von Kitsch und wunderschön illustriert. Den Deutschen Jugendliteraturpreis verdankt es übrigens der Jugendlichen-Jury. Obwohl es sich an Kinder ab 12 Jahren richtet, haben Über-15-jährige es zu ihrem diesjährigen Favoriten erkoren. Eine kleine Sensation!
    "Sieben Minuten nach Mitternacht" wurde mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2012 ausgezeichnet.


    "Dienstag, 18. Dezember"

    Menena Cottin: "Das schwarze Buch der Farben"
    Übersetzt aus dem Spanischen von Helge Preugschat
    Fischer Verlag, Frankfurt/Berlin 2011
    24 Seiten, 19,95 Euro

    Verschenkt von Kim Kindermann
    Die Farbe Gelb schmeckt nach Senf und ist so weich wie der Flaum von Küken. Rot ist so süß wie Erdbeeren, tut aber weh, wenn sie aus einem abgeschürften Knie quillt. Und Grün duftet nach frisch gemähtem Gras und erinnert an Pfefferminzeis. "Das schwarze Buch der Farben" ist ein genialer Coup: Denn die Farben sind hier nicht zu sehen, sie werden beschreiben. Das Buch selbst ist schwarz. Die Schrift allein ist grau. Alles ist sehr minimalistisch gehalten: Links immer der beschreibende Satz, der ebenfalls in Blindenschrift abgedruckt ist. Rechts dann immer eine Illustration. Auch sie schwarz. Sie wirken wie glänzende Schatten auf schwarzem Grund, Reliefartig angefertigt, so dass man sie ertasten kann. Seite für Seite taucht man tiefer ein in diese dunkle Welt, in der Farben umso glanzvoller strahlen.


    "Montag, 17. Dezember"

    Mario Giodarno: "Cotton Reloaded: Der Beginn"
    Bastei Lübbe, Köln 2012
    94 Seiten, 1,99 Euro

    Verschenkt von Kolja Mensing
    Alles noch einmal auf Anfang: Knapp 60 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Jerry-Cotton-Hefts bekommt der legendäre "G-Man" ein digitales Update. Unter dem Titel "Cotton Reloaded" erscheinen neue Folgen als E-Book und mit einer deutlich aufgefrischten und verjüngten Hauptfigur. Cotton verliert als junger Mann während der Anschläge vom 11. September seine Familie - und arbeitet sich vom New Yorker Streifenpolizisten hoch in die Anti-Terror-Abteilung des FBI. Selbstmordattentäter statt Mafia-Killer, drehbuchreife Emotionen und sogar ein Hauch von Sexiness: Die erfolgreichste deutsche Pulp-Fiction-Serie ist im 21. Jahrhundert angekommen. Kein schlechter Anlass, um in diesem Jahr ein bisschen Schund auf dem Gabentisch unterzubringen!


    "Sonntag, 16. Dezember"

    John Jeremiah Sullivan: "Pulphead. Vom Ende Amerikas"
    Übersetzt von Kirsten Riesselmann und Thomas Pletzinger
    Suhrkamp Verlag, Berlin 2012
    298 Seiten, 20 Euro

    Verschenkt von Hartwig Vens
    John Jeremiah Sullivan geht für uns auf das größte Festival für christliche Rockmusik der Vereinigten Staaten, er fährt in die Geburtsstadt von Axl Rose, er marschiert mit der Tea Party-Bewegung, er feiert mit den Fans von Reality-TV-Stars, er schreibt über Raubgräber in Kentucky, Disney World, den Blues, Michael Jackson und die Verwüstungen nach Katrina. "Pulphead" ist eine Sammlung von 15 langen Reportagen und Essays, es sind Reisen zu den amerikanischen Mythen und in die amerikanische Popkultur. Sullivan misst der amerikanischen Gesellschaft den Puls, und das Ergebnis ist mitunter ernüchternd: "Das sind wir: ein Volk gefühlsduseliger Barbaren, weinend und Gewichte stemmend." Aber, und das ist das Große an diesem Buch und seinem Autor: Sullivan lässt nie einen Zweifel an seiner Sympathie für diese Menschen und daran, dass er einer von ihnen ist.


    "Samstag, 15. Dezember"

    Katja Eichinger: "BE"
    Hoffmann und Campe, Hamburg 2012
    570 Seiten, 24,99 Euro

    Verschenkt von Waltraud Tschirner
    "Er war ein ritterlicher Mann. Ein strahlender, aber auch dunkler Mann. Mit unglaublichen Abgründen", so hat die ehemalige Partnerin Hannelore Elsner den 2011 verstorbenen Filmproduzenten, Regisseur und "Strippenzieher" Bernd Eichinger charakterisiert. Zahlreiche Episoden, die von alldem erzählen und dazu viel spannende deutsche Nachkriegsfilmgeschichte, findet man in dem Buch, das seine Frau Katja Eichinger veröffentlicht hat. Und wie beinahe immer, wenn man sich genauer mit jemandem beschäftigt, erlebt man kleine Wunder, begreift Zusammenhänge, kann Obsessionen und Abgründe besser einordnen, vielleicht sogar verstehen. Auf diesen 576 Seiten lernt man diesen filmbesessenen Mann mit menschlicher Großzügigkeit und auch einer ordentlichen Portion Größenwahn ziemlich gut kennen. Ein Buch, das ausdrücklich nicht nur Cineasten zu empfehlen ist.


    "Freitag, 14. Dezember"

    Heinrich Steinfest: "Das himmlische Kind"
    Droemer & Knaur, München 2012
    320 Seiten, 19,99 Euro

    Verschenkt von Dorothea Westphal
    Der Wind, der Wind das himmlische Kind, antworten Hänsel und Gretel der Hexe, die fragt, wer da an ihrem Häuschen knuspert. Heinrich Steinfest hat jetzt eine moderne Version des Grimmschen Märchens geschrieben: Das himmlische Kind ist der Wind, den die 12-jährige Miriam und ihr 5-jähriger Bruder Elias im Wald hören, sobald es dunkel ist. Es ist kalt, Anfang Dezember, und es schneit. Die Mutter der beiden ist mit dem Wagen in einen See gerast, um sich umzubringen. Die Kinder, die sie in den Tod hatte mitnehmen wollen, konnten sich retten. Doch wie überlebt man in einem Wald ohne Essen und Trinken und bei eisiger Kälte? Wer an die Kraft der Phantasie und der Worte glaubt, wird dieses Buch lieben.


    "Donnerstag, 13. Dezember"

    Christine Nöstlinger: "Wir pfeifen auf den Gurkenkönig: Wolfgang Hogelmann erzählt die Wahrheit, ohne auf die Deutschlehrergliederung zu verzichten"
    Rotfuchs, Reinbek 2000
    160 Seiten, 6,99 Euro
    Verschenkt von Thomas Fuchs
    "In diesem Buch erzähle ich, Wolfgang Hogelmann, wie wir den blöden Gurkinger und Kellerkönig Kumi-Ori vertrieben haben." An Ostern nistet sich der Gurkenkönig bei Familie Hogelmann ein. Ein grammatikgestörte Winzling, der von seinen undankbaren Untertanen im tiefsten Keller des Hauses vertrieben wurde und innerhalb kürzester Zeit der Familie mit seinen dünkelhaften Ansprüchen unendlich auf den Geist geht. Der Kumi-Ori sät überall Streit, bis alle einig sind: der Gurkinger muss weg! Genial. komisch, schräg. Über vierzig Neuauflagen und der der Deutsche Jugendbuchpreis 1973 beweisen: Dieses Buch ist ein zeitloser, ungemein erheiternder Kinderbuchklassiker.

    "Mittwoch. 12. Dezember"

    Robert F. Scott: "Letzte Fahrt: Kapitän Scotts Tagebuch - Tragödie am Südpol. 1910-1912"
    übersetzt von Ernst Bartsch
    Edition Erdmann, Wiesbaden 2012
    320 Seiten, 24 Euro
    Verschenkt von Jürgen König
    Nur zu sagen, Kapitän Scotts Südpol-Reisetagebuch sei "spannend", wäre viel zu wenig. Denn was der literarisch nicht ambitionierte, aber begabte Robert Falcon Scott hinterlassen hat, ist die Darstellung einer Tragödie - bis zum eigenen Tod beschrieben mit der Detailgenauigkeit des gewissenhaften Tagebuchschreibers. Die Motorschlitten versagen, die Ponys müssen geschlachtet werden, die Hunde schaffen es nicht - am Ende müssen die Männer die Schlitten selber ziehen: hunderte von Kilometern, bei zunehmender Entkräftung und zuletzt über Minus 40 Grads Celsius. Mörderisch sind die Strapazen, qualvoll wird die Enttäuschung, nach Amundsen nur der Zweite am Pol gewesen zu sein. Doch kameradschaftlich stemmen sich Robert Scott und seine Männer gegen ihr absehbares Scheitern. Das lesend mitzuerleben, geht zu Herzen.


    "Dienstag, 11. Dezember"

    Magnus Nilsson: "Fäviken"
    Edel Edition, Hamburg 2012
    272 Seiten, 49,95 Euro

    Verschenkt von Holger Hettinger
    Auch wenn in Deutschland auf so ziemlich allen Kanälen gekocht wird: deutsche Kochbücher sind eine eher - nun ja: zähe Angelegenheit. So muss ich denn nach Schweden schauen, in ein kleines Nest in der Nähe der norwegischen Grenze. Dort betreibt Magnus Nilsson sein Restaurant "Fäviken", und Rezepte aus eben jenem "Fäviken" sind in einem wundervollen Buch versammelt, das nun als deutsche Lizenzausgabe in der Edel Edition veröffentlicht worden ist. "Fäviken" bietet Rezepte aus der neuen nordischen Küche, die neuerdings so angesagt ist. Eigentlich. In Wirklichkeit geht es um viel mehr: darum, was unser Verhältnis zum Essen ausmacht, zu den Wesen, die für unseren Genuss ihr Leben lassen müssen. Es geht darum, wie reich uns die Natur beschenkt - und wie wenig wir doch daraus machen. Toll gemacht, schön beschrieben - ein Buch, das einen einsaugt. Schenke ich all denen, die sich mit mir gerne an den Tisch setzen.


    " Montag, 10. Dezember"

    Eva Ibbotson: "Das Geheimnis von Bahnsteig 13"
    übersetzt von Sabine Ludwig, dtv, München 2002,
    224 Seiten, 6,95 EUR

    Verschenkt von Stephanie von Oppen
    Eva Ibbotson wird nicht nur von Kindern für ihre fantastischen Geschichten geliebt, sondern auch für Autorinnen wie Cornelia Funke und Joanne Rowling war die Britin ein Vorbild. Am Bahnsteig 13 befindet sich eine verborgende Tür, der Gügel, der sich nur alle neun Jahre für neun Tage öffnet. Dahinter liegt eine märchenhafte Welt. Geister, Hexen, Riesen und andere Fabelwesen leben hier glücklich zusammen, regiert von einem Königspaar mit ihrem Sohn. Doch eines Tages wird der kleine Prinz entführt und eine abenteuerlich-komische Rettungsaktion beginnt. Diese packende, mit viel Humor und Herzenswärme erzählte Geschichte liest man am besten mit der ganzen Familie.


    "Sonntag, 9. Dezember"

    Florian Werner: "Schüchtern"
    Nagel & Kimche, Zürich 2012
    176 Seiten, 17,90 Euro

    Verschenkt von René Aguigah
    Schüchtern betrachtet, verhält es sich so: Zurückhaltende Frauen werden akzeptiert, zurückhaltende Männer haben ein Problem. Wie unverbindlich traditionelle Geschlechterrollen auch geworden sein mögen – hartnäckig dominiert noch heute der Mann der Tat, aktiv, selbstsicher, extrovertiert. Gegen das Alpha-Tier setzt dieser Essay die Schildkröte. Nicht so schnell, nicht so laut, nicht sofort entschieden. Schüchternheit tut gut, denn sie geht einher mit Feingefühl, Rücksicht und Sinn fürs rechte Maß. Florian Werner sei gepriesen für seine so private wie politische Rehabilitation einer "unterschätzten Eigenschaft". Seine kulturgeschichtliche Bildung ist umfassend (von Platon bis "Mad Men"), seine Sprache schwerelos. Und er ist so umsichtig, auch den performativen Selbstwiderspruch seines Buches zu bedenken: die eigene Schüchternheit zum Gegenstand öffentlicher Betrachtungen zu machen.


    "Sonnabend, 8. Dezember"

    "101 Nacht"
    Nach der Handschrift des Aga Khan Museums, übersetzt und kommentiert von Claudia Ott, 101 Nacht, Manesse Verlag, München 2012, 350 Seiten, 49,95 Euro

    Verschenkt von Barbara Wahlster
    Die kleine Schwester von 1001 Nacht: 500 Jahre älter als alle bekannten Quellen der orientalischen Sammlung, obendrein aus dem Westen des Orients, aus Al Andalus. Doch führen viele der 101 Überlebensgeschichten der Scharazad nach Indien und China, Persien und in den Irak. Sie erzählen von Schatzsuchern und Seeungeheuern, von Tapferkeit und Listen, von Rausch und Raffinement, von der Liebe, der Verführung, von Kriegen aus Langeweile oder Rachsucht: märchenhaft und spöttisch, kunstvoll und spannend. Es ist die bislang älteste (auf 1235 datierte) arabische Handschrift der arabischen Märchensammlung, ein Zufallsfund der Übersetzerin und Herausgeberin Claudia Ott aus den Beständen des Aga Khan Museums - mit bisher zum Teil unbekannten Geschichten. Für alle, die das Erzählen und das Vorlesen lieben, die sich in Märchenwelten entführen lassen wollen und Sinn für die Weisheit alter Geschichten haben.


    "Freitag, 7. Dezember"

    Michel Houellebecq: "Karte und Gebiet"
    Übersetzt von Uli Wittmann
    DuMont, Köln 2012
    416 Seiten, 9,99 EUR

    Verschenkt von Susanne Burkhardt
    Wie funktioniert der Kunstbetrieb? Und lässt sich Erfolg kalkulieren? In seinem Roman "Karte und Gebiet" glossiert der französische Autor Michel Houellebecq die Mechanismen des Marktes und erzählt vom Aufstieg des Künstlers Jed Martin, der nach einer Ausstellung von abfotografierten Michelin-Straßenkarten zum Star der Kunstszene wird. Weil ihm der berühmte Schriftsteller Michel Houllebecq das Vorwort für seinen Ausstellungskatalog schreibt, wird das Interesse der Berühmten und Wichtigen geweckt – und Martin zum Millionär. Eine großartige Parodie auf die Kunstwelt, die als spannende Krimi-Persiflage endet.

    "Donnerstag, 6. Dezember"

    Suzy Lee: Schatten"
    Baumhaus Verlag, Frankfurt/Main 2011
    32 Seiten, 12,99 EUR

    Verschenkt von Kim Kindermann
    Wenn Bücher glücklich machen, dann sind es die Bücher von Suzy Lee! Die Südkoreanerin ist eine Meisterin des feines Strichs: mit ihren grandiosen Kohlezeichnungen zaubert sie ganze Welten aufs Papier. Ohne Worte. In "Schatten" braucht es nicht mehr als einen dunklen Speicher, das Licht einer Lampe und ein kleines Mädchen, und schon beginnt ein köstliches Schattenspiel: Ein Staubsauger verwandelt sich in einen Elefanten. Ein Besen wird zum Palmwedel. Es entsteht ein dichtbevölkerter Dschungel. Ein Bild des Glücks. Bis der Wolf aus dem Schatten springt, angriffsbereit…. Schöner und spannender können Bilderbuchabenteurer nicht sein.


    "Mittwoch, 5. Dezember"

    Steinunn Sigurdardóttir: "Herzort"
    Übersetzt von Coletta Bürling
    Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck bei Hamburg 2003
    480 Seiten, 9,99 Euro

    Verschenkt von Susanne Führer
    Drei Frauen machen sich auf eine Reise: die 31-jährige Krankenschwester Harpa, ihre 16-jährige Tochter Edda und Harpas Freundin, die Flötistin Heide. In einem weißen Pickup fahren sie von Reykjavik zu Verwandten in die Ostfjorde, Edda soll von den Drogen fortkommen und - hofft ihre Mutter Harpa - wieder zu dem freundlichen Mädchen werden, das sie vor der Sucht einmal war. Nun aber ist Edda unausstehlich und unberechenbar, genauso wie das isländische Wetter. Die Küste entlang geht es vorbei an Gletschern und Vulkanen und durch manchen schweren Sturm. Steinunn Sigurdadóttir beglückt die Leser mit ihrer genauen Kenntnis der menschlichen Seele wie der isländischen Landschaft. "Herzort" ist etwas ganz Seltenes: poetisch, anrührend und lustig zugleich.


    "Dienstag, 4. Dezember"

    Simon Rothöhler: "The West Wing"
    diaphanes booklet 2012
    96 Seiten, 10 Euro

    Verschenkt von Susanne Burg
    Im westlichen Flügel des Weißen Hauses befinden sich die Büros des Präsidenten. Und genau hier, im Zentrum der US-amerikanischen Macht, ist "The West Wing" angesiedelt. Die US-amerikanische Serie folgt dem fiktiven demokratischen Präsidenten Josiah Bartlet und seinem Personal, führt vor, wie zahllose Gesetzesinitiativen entwickelt und durchgesetzt werden oder zu halbgaren Kompromissen mutieren. All das mit klugen, witzigen Dialogen und rasanten Fahrtbewegungen der Kamera. "The West Wing" lief sieben Jahre lang, von 1999 bis 2006, im Fernsehsender NBC. In seinem Buch beleuchtet Simon Rothöhler, wie die Serie reale Politik aufgreift und verarbeit, zeigt, wie sie sich zur Politik Clintons und Bushs positioniert. Seine These: "The West Wing" schreibt die Clinton-Jahre nicht nur fort, sondern schreibt sie auch um. Ein kluges, hintergründiges, analytisches und unterhaltsames Buch, das viel über das Innenleben der amerikanischen Exekutive erzählt.


    "Montag, 3. Dezember"

    Eric-Emmanuel Schmitt: "Die Träumerin von Ostende: Erzählungen"
    übersetzt von Inés Koebel
    S. Fischer, Frankfurt/Main 2011
    288 Seiten, 18,95 Euro

    Verschenkt von Renate Schönfelder
    Mit diesem Band und seinen fünf Erzählungen ist es wie mit einer Schachtel Pralinen: Einmal angefangen kann man nicht mehr von ihnen lassen. Bereits mit dem ersten Satz ist man mitten im Leben der etwas schrulligen Hauptfiguren. Immer, wenn man glaubt, es verstanden zu haben, tut sich eine völlig andere Sichtweise auf. Schnell wird so klar, was für eine Macht die Fantasie hat, wie sie uns bei anderen Gefühle sehen lässt, die eigentlich unsere eigenen sind. In der bildreichen, kraftvollen wie zärtlichen Sprache des Autors verschwimmen Realität und Vorstellung. Die entstandenen philosophisch-erotische Geschichten hinterlassen einen bitter-süßen Geschmack.

    "Sonntag, 2. Dezember"

    Heinrich Zankl: "Wissenschaft im Kreuzverhör"
    Primus Verlag, Darmstadt 2012
    172 Seiten, 19,90 Euro

    Verschenkt von Joachim Baumann
    Das Streben nach wissenschaftlichem Ruhm, die Gier nach Forschungsgeldern, ethische Prinzipien – es gibt viele Gründe, warum Forscher immer wieder mit bestehenden Gesetzen in Konflikt geraten. Heinrich Zankl führt 25 dieser Fälle auf: Historisches (Nürnberger Ärzteprozess), Bekanntes (Stammzellpatent von Oliver Brüstle), Unbekanntes (Amoklauf einer US-amerikanischen Professorin) oder Vergessenes (Prozess um Passivrauchen). Heinrich Zankl fesselt seine Leserinnen und Leser von der ersten Seite bis zur letzten. Jede der 25 Geschichten liest sich wie ein Krimi.

    " Samstag, 1. Dezember "

    Heinz Schilling: "Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs"
    C.H. Beck, München 2012
    714 Seiten, 29,95 Euro

    Verschenkt von Philipp Gessler
    Er steht in der Geschichte wie ein Klotz - ungehobelt, faszinierend, irritierend: Martin Luther, der Mönch und Reformator, der einem ganzen Kontinent eine andere Richtung gab. Die wissenschaftliche Literatur über diese geschichtliche Gestalt füllt Bibliotheken – warum sollte man also noch eine Biografie über diesen kantigen, oft mürrischen Mann lesen, über 700 Seiten zudem? Weil es Heinz Schilling, einem emeritierten Professor für die Geschichte der Frühen Neuzeit, gelingt, diese historische Gestalt in seiner Zeit vorbildhaft zu verankern. Wer diese Lebensbeschreibung liest, versteht Luther besser, aber auch die Epoche, die ihn prägte – und die er schließlich selbst entscheidend mitprägte. Diese Luther-Biografie ist keine leichte Kost, aber eine, von der man lange zehren kann.