Adriana Lettrari

"Wendekind" als Europäerin 2016

Adriana Lettrari
Adriana Lettrari © Hendrik Rauch
Moderation: Katrin Heise · 07.12.2016
Adriana Lettrari möchte gehört werden. Sie war zehn Jahre alt, als aus zwei deutschen Ländern eines wurde und 30, als sie sich in das öffentliche Erinnern an die friedliche Revolution von 1989 einzumischen begann. Wir sprechen mit der frischgekürten "Frau Europas 2016".
Adriana Lettrari möchte gehört werden. Sie war zehn Jahre alt, als aus zwei deutschen Ländern eines wurde und 30, als sie sich in das öffentliche Erinnern an die friedliche Revolution von 1989 einzumischen begann. Wir sprechen mit der frischgekürten "Frau Europas 2016".
Lettrari wollte den Osten Deutschlands aus der diskursiven Problemzone herausholen und auf die besonderen Kompetenzen der "Wendekinder" aufmerksam machen. Sie gründete die Initiative "Dritte Generation Ost" und verhalf den Kindern der Wende von 1989 dazu, sich ihres Erfahrungsschatzes bewusst zu werden und ihre unverwechselbare "Transformationskompetenz" zu entdecken. Geprägt hat diese Generation die Erfahrung des Umbruchs schon in der Schulzeit:
"Das ist ein Verstärker gewesen im Hinblick darauf, dass es eine Zeit der Anarchie gewesen ist für uns. Also völlig freie Räume, in denen beispielhaft jetzt auch dann in dem neuen Schulsystem sowas wie eine Schülerzeitung oder eine Schülervertretung oder auch ein Schulfunk – sowas überhaupt nicht da war, wir also nicht in irgendwelche Fußstapfen getreten sind und reiben mussten mit älteren Schülerinnen, wir wollen auch mal ran. Sondern es eher darum ging, das aus der Taufe zu heben und zu gründen. Und interessant war tatsächlich, dass auch wir kaum Widerstand dafür hatten seitens der Lehrerschaft, denn die waren erstens so mit sich selber beschäftigt und zweitens dann wahrscheinlich dankbar, dass da überhaupt eine Form von produktiver Kreativität entsteht"
Bei ihren Eltern indessen hätten sie eine große Zurückhaltung erlebt, wenn es darum ging sich in der Öffentlichkeit zu äußern.
"Sie haben ja in der Tat nicht gelernt, tatsächlich auch sich individuell als Bürgerinnen und Bürger produktiv und konstruktiv zu äußern, sondern eigene Reflektionen und Kritik waren ja eher vorbehaltlich im familiären Umfeld platziert. Und nicht, so zu sagen, in einem öffentlichen, gesellschaftlichen, kritischen, demokratischen Raum. Und dann haben wir uns gefragt: Ist das vererbbar? – und wenn ja, dann ist das unerträglich und dann müssen wir was daran ändern und dann haben wir losgelegt."
Als "Frau Europas 2016" ausgezeichnet, denkt die Politik- und Kommunikationswissenschaftlerin diese innerdeutsche Bewegung inzwischen grenzüberschreitend fort.
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