Adrian J. Walker: "Am Ende aller Zeiten"

Unfreiwillig Extremsportler

Hände versuchen, die letzten Sonnenstrahlen des Tages einzufangen.
Adrian J. Walker schickt seinen Protagonisten Edgar Hill in eine schnöde Postapokalypse. © picture alliance / dpa / Maximilian Schönherr
Von Marten Hahn · 21.09.2016
Ein Asteroidenschauer hat in "Am Ende aller Zeiten" Großbritannien in Schutt und Asche gelegt. In dem atemlosen Fantasy-Roman von Adrian J. Walker widerfährt einem gelangweilten Mittdreißiger eine überraschende Wandlung.
Zwei Kinder, Bürojob, Vorstadtleben. Edgar Hill hasst die eigene Mittelmäßigkeit so sehr, dass er nach der Katastrophe verkündet: "Wenn ich ehrlich bin, war der Untergang - für mich zumindest - eine Erleichterung." Ein Asteroidenschauer hat nicht nur Hills Heimatstadt Edinburgh ausradiert. Er hat ganz Großbritannien in Schutt und Asche gelegt.
Adrian J. Walkers Roman "Am Ende aller Zeiten" beginnt als schnöde Postapokalypse: Zerstörung, Panik, Neuordnung. Doch als seine Familie ohne ihn evakuiert wird, beginnt für Hill ganz buchstäblich ein Wettlauf gegen die Zeit. Der Mittdreißiger mit Bauchansatz wird zum Extremsportler - und der Leser findet sich unversehens in einem packenden Lauf-Thriller wieder: Edgar Hill durchquert einmal komplett die zerstörte britische Insel.
Der Autor stellt seinem Helden eine Gruppe bunter Gestalten an die Seite. Gemeinsam hasten sie durch zerstörte, wolkenverhangene Landschaften und beobachten aus der Ferne postapokalyptische Szenen, zum Beispiel eine mysteriöse Zwangstaufe im Fackelschein. Walker hat ein sicheres Gespür für die Ästhetik des Horrors - und er kann Tempo machen. Je weiter Hill und seine Mitstreiter laufen, desto rhythmischer, desto atemloser wird die Prosa dieses Roman.

Neue Science-Fiction-Marke beim Fischer Verlag

Walker, Mitte der 70er in der Nähe Sydneys geboren, lebt heute in London. Er gehört zur immer größer werdenden Gruppe von Genre-Autoren, die sich zunächst selbst verlegen. Walkers Debüt "The Storm" wurde auf Amazon zum Hit. Daraufhin landete sein zweiter Roman "Am Ende aller Zeiten" – im Original "The End of the World Running Club" - bei einem etablierten Verlag. In Deutschland schickt Fischer jetzt mit dem Titel eine neue Verlagsmarke ins Rennen: TOR. Tor Books gehört seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Science-Fiction-Verlagen der USA. Nun will Fischer die Erfolgsgeschichte in Deutschland wiederholen, inklusive Online-Magazin. Was Tor.com für US-Leser ist, soll tor-online.de für deutsche Scifi-Fans werden.
Damit bekommt der deutsche Platzhirsch Heyne erneut Gesellschaft. Droemer Knaur und Piper setzen bereits auf Science-Fiction und Fantasy. Nun auch Fischer. Das zeigt einmal mehr: Die ehemalige Nischenliteratur und ihre Nerdkultur sind im Mainstream angekommen - und wirtschaftlich so attraktiv, dass auch Publikumsverlage verstärkt investieren.

Die Nerds sind erwachsen geworden

Die Gründe sind vielfältig. Erstens sind die Nerds der 80er und 90er erwachsen geworden. Wer als Teenager "Star Trek" schaute, scheut auch als Erwachsener nicht vor Science Fiction zurück. Zweitens stehen Nerds heute nicht mehr am Rand des Schulhofs, sondern wie Mark Zuckerberg an der Spitze von weltumspannenden Mega-Konzernen. Und fragt man Spezial-Buchläden wie "Otherworld" in Berlin, heißt es: Das Publikum wird jünger. Erfolgsserien wie "Game of Thrones" ebnen den Weg. Die Zielgruppe wächst also nach.
Dass "Am Ende aller Zeiten" kein echter Science-Fiction-Stoff ist, mag überraschen. Soll Tor doch zum neuen Zuhause deutscher Scifi- und Fantasy-Liebhaber werden. Strategisch scheint die Wahl jedoch nachvollziehbar: Walkers Geschichte über den unfreiwilligen Langstreckenläufer Hill ist ein starker und zugänglicher Aufschlag.

Adrian J. Walker: "Am Ende aller Zeiten". Roman.
Aus dem Englischen von Nadine Püschel und Gesine Schröder.
Fischer TOR, Frankfurt am Main 2016
432 Seiten, 14,99 Euro

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