Ackermacht Mais

Wie eine Pflanze die Welt verändert

Ein Maisfeld in Brandenburg
Nach der Ernte ist vor der Ernte: In Brandenburg wird mittlerweile mehr Mais als Roggen angebaut. © Deutschlandradio/Ernst-Ludwig von Aster
Von Anja Schrum und Ernst-Ludwig von Aster · 20.10.2015
590 Millionen Tonnen Mais werden jährlich weltweit geerntet - mehr als Weizen und Reis. Die Pflanze ist zum Symbol einer globalisierten, industrialisierten Gesellschaft geworden. Unterwegs in Brandenburg, wo mittlerweile mehr Mais als Roggen angebaut wird.
"Das macht man so an den Angelhaken und dann kann man warten bis der Fisch anbeißt."
"Wenn das gelb ist, mach ich mir das hab und dann mach ich erst die Schale ab und dann guck ich, ob innen drin alles gelb ist und dann esse ich sie."
"Ich liebe Mais!"
"Popcorn!!!"
Ja, der Mais, ja, der Mais, ja der Mais marschiert...
"Das macht auch Spaß. Die fordern ein auch. Mit Halbwissen braucht man da nicht kommen. Da muss man sich schon intensiv mit beschäftigen. Das macht schon Spaß."
Erntezeit in Brandenburg – das macht Spaß, freut sich Hans-Jürgen Pfannkuchen. Und geht über den Parkplatz der Agrargenossenschaft Neuzelle zu seinem Firmenwagen. "Innovation für ihr Wachstum" steht über dem Nummernschild.
Seit 18 Jahren kurvt der Agrotechniker durch das südliche Brandenburg. Pfannkuchen arbeitet für die "Deutsche Saatveredelung AG". Den aktuellen Maiskatalog hat er immer auf dem Rücksitz...
"Das Maisprospekt: So wir haben hier zum Beispiel den Danubio, Danubio ist zurzeit mit eine unserer größten Sorten im mittelspäten Bereich. Ein Silo 270 und K 240."
Rasante Entwicklung in der Maisbranche
Einsetzbar als Körner - und Silomais. Als Tier- und Biogasanlagenfutter. Nur eine von 30 Maissorten aus seinem Angebot:
"Liberator, Silo 250 und K 240. Also ein bisschen früherer. Und auch er ist für alle drei Zweige geeignet, sowohl für Silo, Korn und Energiemais. Und das denke ich wird so unser neuer Stern am Himmel werden."
Lothar Kuchling kommt dazu. Ein großer, kräftiger Mann. Er leitet die Pflanzenproduktion in der Genossenschaft Neuzelle. Und entscheidet was gesät und wann geerntet wird.
"Der Betrieb baut ca. 900 Hektar Mais an."
"Also von diesen 900 Hektar, sage ich mal als grobe Orientierung, werden rund 700,750 Hektar gehäckselt, die dann einsiliert werden und die dann bei unsern 2500 Rindern und der Biogasanlage zum Einsatz kommen, als Maissilage."
60.000 Kilometer fährt Pfannkuchen pro Jahr, um sein Saatgut an die Landwirte in Brandenburg zu bringen. Landwirtschaft und Landschaft haben sich in den letzten Jahren verändert, sagt er.
"Ja, wir hatten eine Entwicklung, die wirklich rasant war. Seit ein paar Jahren mit dem Biogasboom, so möchte ich es mal bezeichnen, da haben wir immer mehr neue Sorten bekommen, die speziell auf diese Richtung darauf ausgerichtet waren. Die Anbaufläche, möchte ich behaupten ist nah zu ein Drittel bis die Hälfte mehr geworden zudem, was da vor 18 Jahren war."
Damit liegt Brandenburg im internationalen Trend. Weltweit breitet sich der Mais aus. Fast eine Milliarde Tonnen werden jährlich geerntet. Mehr als Weizen oder Reis. Ein globales Geschäft.
Der Maisberater Hans-Jürgen Pfannkuchen im Einsatz.
Kritischer Blick: Der Maisberater Hans-Jürgen Pfannkuchen im Einsatz.© Deutschlandradio/Ernst-Ludwig von Aster
Das Maisgeschäft ist heute der härteste Markt im Saatgut-Business, erzählt der Pflanzenberater. Rechts und links ziehen jetzt große Maisschläge vorbei. Häcksler fressen sich durch die Felder.
"Das ist ein Mais-Gott. Mit einer arbeitsteiligen Zuständigkeit. Es gab einen Mais-Gott für die Aussaat, für die Bodenvorbereitungen, einen Mais-Gott für das Wachstum, für die Ertragslage und natürlich einen Mais-Gott für die Qualität"
Göttliche Arbeitsteilung. Bis zur Ernte. Das fasziniert Rudolf Vögel. Der Agrarwissenschaftler arbeitet beim Brandenburger Landesumweltamt und beschäftigt sich mit dem Erhalt und der Vermehrung alter Sorten. Mais ist für ihn ein Klassiker unter den Kulturpflanzen. Ein Global-Getreide mit mehr als 6.000 Jahren Geschichte. Angebaut zuerst in den südamerikanischen Hochkulturen: Bei den Inkas und Mayas.
"Von der Produktionsbiologie ist Mais eine Besonderheit. Er entwickelt innerhalb einer, fast der kürzesten Wachstumsphase, die man hat, entwickelt er das höchste Ertragspotential, ne."
Dafür dankten die alten Hochkulturen. Mit Maisopfern. In ihrer Schöpfungsgeschichte kam erst der Mais auf die Erde. Dann der Mensch. Entstanden aus einer Maispflanze.
Musik hochziehen
"Diese frühen Kulturen haben ja, das ist ja überliefert, den Mais auch nicht als Alleinmais, sondern mit Mischkulturen, mit Bohnen und mit Kürbis angebaut. Man hat unterschiedliche Standorte von der Bodengüte, von der Sonnenausrichtung gehabt. Und für alles das muss es, so nehmen wir an, besonders geeignete, besonders selektierte Mais-Formen und -Linien gegeben haben."
Christoph Kolumbus bringt die ersten Maiskörner nach Europa. Die schnell wachsenden Pflanzen breiten sich rund ums Mittelmeer aus. In Portugal, Spanien und Italien. Die Bauern nennen sie mal "fremdes Korn", mal "türkische Hirse"
"Er war lagerfähig, er war mahlbar, er war handelbar, er war transportierbar. Er hat also sehr positive Eigenschaften in Bezug auf die Nutzbarkeit."
Mais war einst Hauptnahrung der armen Landbevölkerung
Innerhalb weniger Jahrzehnte verdrängt der Mais in Südeuropa die Hirse. Er wird zum Hauptnahrungsmittel der armen Landbevölkerung. 1753 berichten Ärzte von einer rätselhaften Krankheit unter Mais-Essern. "Pellagra" – raue Haut, wird sie genannt. Schwere Hautveränderungen, Durchfall und Demenz sind die Symptome. Es dauert mehr als einhundert Jahre bis die Ursache feststeht:
"Man hat den Mais als Pflanze importiert, aber man hat nicht die Sozialgeschichte, die Ernährungskultur de Maises importiert."
Die Europäer mahlen den getrockneten Mais in Mühlen. Und verarbeiten ihn dann weiter. Die Mayas dagegen weichten die Körner vor dem Kochen in kalkhaltigem Wasser ein. Und machten so das lebenswichtige Vitamin B 3 erst verfügbar. In Europa aber fehlte diese Vorbehandlung. Zehntausende starben an den Folgen des Vitaminmangels. Eine Strafe für die Ignoranz, sich lediglich für ein schnellwachsendes Nahrungsmittel aber nicht für sein kulturelles Umfeld zu interessieren...
"Und die ... sind ja noch viel schlimmer."
Marco Hintze legt den Kopf in den Nacken und deutet in den märkischen Himmel. Auf die Kraniche, die hinwegziehen über seinen Hof in Krielow an der Havel...
"Die haben mich schon 30.000 Euro gekostet... kru, kru... weil die Kraniche, wenn wir den Mais in die Erde gelegt haben, Ende April, Anfang Mai, kommen die und laufen die Reihe lang und picken mit dem Schnabel das Korn aus der Erde. Bis die Pflanze gekeimt hat und mindestens 10 Zentimeter groß ist, machen sie dieses Spiel."
Im Frühjahr 2013 war das, Bauer Hintze erinnert sich genau. Erst hat er den Mais gelegt, dann kam der Regen, vier Wochen lang und er nicht aufs Feld.
"Und als ich dann Pflanzenschutz machen wollte und die Witterung entsprechend war, bin ich aufs Feld gekommen – ich habe gar keine Pflanze gefunden. Die haben mir auf 60 Hektar alle Pflanzen geklaut!"
Bauer Hintze geht zur Naturschutzbehörde, verlangt Entschädigung für das, was die streng geschützten Kraniche angerichtet haben. Doch die Behörde rät: Bauen sie etwas anderes an. Hintze schüttelt den Kopf, seine Äcker liegen zum Teil in den Feuchtgebieten nahe der Havel:
"Also Wintergetreide säuft ab, Sommergetreide ist der ph-Wert nicht passend, Sommerraps ist die Befahrbarkeit dann in Zweifel gestellt, also, was bleibt übrig – man kann die schnell wachsende Maispflanze nutzen. Ende Mai gelegt, Ende September geerntet, ein kurzes Wachstum und man hat wenigstens einen Ertrag der Fläche."
Zukauf von Boden ist zurzeit kaum möglich
Mais ist fester Bestandteil der Fruchtfolge auf Hintzes 600-Hektar-Hof. Der Landwirt baut Winterraps und -gerste an, Roggen, Triticale, Hafer, Lupine, Luzernegras und eben Mais. Als Futter für seine 85 Mutterkühe und die 150 Färsen, die er jedes Jahr mästet. Aber auch als "Nahrung" für eine benachbarte Biogasanlage. Ein Viertel der Mais-Silage verfüttert der Landwirt, der Rest geht in die "Betonkuh", wie Hintze die Biogasanlage augenzwinkernd nennt.
"Die Biogasanlage gibt mir einen festgeschriebenen Preis, wo ich auch keine Trocknungskosten mehr berücksichtigen muss, muss nur den Erntezeitpunkt relativ sicher festzurren, um die Qualitäten zu halten, um einen guten Preis zu erzielen. Also ich bin dem auch unterlegen, der Energiewende, aber nicht, dass ich meinen Betrieb jetzt völlig umstrukturiere und alles nur auf die Maisproduktion ausdehne."
600 Hektar bewirtschaftet Hintze, zusammen mit zwei Vollzeit Mitarbeitern und einer Teilzeitkraft. Doch dem Landwirt gehört nur ein Bruchteil der Ackerfläche. Das Gros ist gepachtet. Boden zuzukaufen – das ist für Familienbetriebe derzeit so gut wie unmöglich. Die Kaufpreise, aber auch die Pachtpreise, sind innerhalb weniger Jahre in die Höhe geschnellt. Ein Grund dafür liegt im Mais. Im Flächendruck, ausgelöst durch den Boom der Biogasanlagen. Viehhalter und Biogaserzeuger konkurrieren um die knappen Anbauflächen. Zahlungskräftige Akteure haben den Markt erobert. Große Agrarkonzerne, die zehntausende Hektar bewirtschaften. Hintze muss gar nicht weit fahren, um auf die Äcker der Großagrarier zu stoßen.
"Aber dann sind wir hier umgeben von ehemaliger Agrargenossenschaft in Schmergow, die durch den Verkauf von den Genossenschaftsanteilen jetzt in eine GmbH umgewandelt wurde und ein Alt-Bundesbürger die erworben hat und weiterführt. Dann werden wir bedrängt von den Großkonzernen sowie Hofreiter, Lindhorst, Arius versuchen sie uns Flächen abspenstig zu machen mit utopischen Preisen, die wir betriebswirtschaftlich auch, wenn ich zur Bank gehen würde und sagen: Ich will was kaufen, nicht darstellen kann. Das ist für uns ein großes Hindernis."
"Was ich sehr gut und aufmerksam beobachte in der Landschaft, dadurch das ich sehr viel unterwegs bin, das ist, das nicht nur der Maisanbau insgesamt zugenommen hat, viele Schläge werden immer größer, sondern wir haben auf vielen Äckern auch Mais, Mais und nochmal Mais. Also jedes Jahr dasselbe: nämlich das kein Wechsel in der Fruchtfolge stattfindet."
Beate Jessel leitet das Bundesamt für Naturschutz. Das soll die Bundesregierung in Sachen Arten- und Naturschutz beraten. Seit Jahren beobachtet die Professorin die wachsende Mais-Monotonie. Auf mehr als einem Fünftel der Acker-Fläche wird heute bereits Mais angebaut. In manchen Landkreisen liegt der Anteil bereits über 50 Prozent:
"Die Tendenz zu immer größeren Schlägen, also immer größeren Anbauflächen, der Wegfall von Kleinstrukturen in der Landschaft, ein Grünlandumbruch, der uns große Sorgen macht. Die Grünlandfläche hat sich in Deutschland zwischen 1990 und 2009 um 875.000 Hektar, das ist eine ganze Menge, verringert. Und die Zunahme des Maisanbaus ist ein Teil dieses landwirtschaftlichen Kultur- und Strukturwandels."
Der Mais ist die Leitpflanze einer industrialisierten Landwirtschaft. Dabei verändert sein großflächiger Anbau den Naturhaushalt. Ganze Lebensräume verschwinden. Besonders deutlich wird das bei den Feldvögeln:
"Man muss sich das so vorstellen: Eine Maisanbaufläche wirkt im frühen Stadium wie eine einjährige Brachfläche. Es wachsen einige Beikräuter, so dass Vögel wie der Kiebitz und die Feldlerche dort ihre Nester errichten, als Bodenbrüter im Schutz dieser Beikräuter. Diese Beikräuter die sterben dann ab, weil in der Regel ein Herbizideinsatz erfolgt, bevor die eigentlichen Maispflanzen aufwachsen. Die Nester sind dann deckungsfrei Räubern ausgeliefert. Und damit ist der Bruterfolg bei Bodenbrüter bei Maisäckern verschwindend gering."
Das Problem: Monokulturen, die alles verdrängen
Um bis zu zwei Drittel sind die Bestände bei Bodenbrütern in den letzten Jahren geschrumpft. Sie hat nichts gegen Maisfelder, stellt Beate Jessel klar, nur gegen Monokulturen, die alles andere verdrängen. Sie sind heute die Problemzonen der modernen Landwirtschaft. Und die ökologischen Spät-Folgen reichen weit über die Ackergrenzen hinaus. Für Rüdiger Wolter vom Umweltbundesamt genügt ein Blick, um einige der Krisen-Regionen zu identifizieren. Sie liegen zum Beispiel im westlichen Niedersachsen oder nördlichen Nordrhein-Westfalen. Diese Gebiete leuchten rot auf seiner Landkarte.
"Es zeichnete sich auch schon ab, dass wir beim Grundwasser größenordnungsmäßig 36 Prozent aller Grundwasserkörper in einem schlechten Zustand haben. Von diesen 36 Prozent waren allein 27 Prozent insgesamt aufgrund der Nitratbelastung in einem schlechten Zustand."
Maiskolben auf einem Feld
Maiskolben auf einem Feld© picture alliance / dpa / Wolfgang Minich
Die EU-Kommission hat deshalb ein Vertragsverletzungs-Verfahren gegen Deutschland eingeleitet. Anfang Oktober warnte der Verband kommunaler Unternehmen wieder einmal vor steigenden Nitratwerten. Die Stilllegung von Trinkwasserbrunnen sei nicht auszuschließen. Vor allem in Gebieten mit Massentierhaltung ist das Grundwasser mit Nitrat belastet. Rund um die Tierfabriken erstrecken sich weiträumige Maisgürtel. Von Gülledeponien sprechen Umweltschützer. Über Jahre wurden Pflanzen und Boden von einer Stickstoff-Flut überschwemmt. Ein Gülleregen im Mais-Meer. Keine andere Pflanze hätte das überstanden. Ab 2005 entstanden zusätzlich noch Biogasanlagen:
"Der erste Faktor ist, dass im Umfeld der Anlagen wir dort auch verstärkt Maisanbau haben. Zum Maisanbau werden auch Flächen genutzt, die vorher als Grünland genutzt worden sind, das heißt man muss diese Flächen erst Mal umbrechen , um dort überhaupt Mais anbauen zu können. Und allein schon dieser Umbruch, man nennt das Grünlandumbruch, der setzt enormen Mengen von Stickstoff frei. Man kriegt einen richtigen Stoß von Stickstoff, der in den Untergrund versickert."
Grünland zu Maisäckern, Energie-Mais zu Gärresten, Gärreste zu Dünger. 84 Millionen Tonnen davon müssen jedes Jahr entsorgt werden. Vor 15 Jahren waren es gerade mal zwei Millionen. Bis heute ist die Entsorgung der Gärreste nicht eindeutig geregelt. Oft landen sie zusätzlich mit der Gülle auf dem Acker. Auf dem dann wieder Mais wächst. Ein verhängnisvoller Kreislauf. Dessen ökologische Folgen von der Politik lange ignoriert wurden. Beate Jessel forderte schon vor Jahren den Maisanbau in besonders betroffenen Regionen zu begrenzen. Bauern und Biogas-branche hielten dagegen. Die Bundesregierung reagierte spät. Und zögerlich. 2012 führte sie den sogenannten "Maisdeckel" im Erneuerbaren Energie-Gesetz ein, der den Einsatz in Biogasanlagen auf 60 Prozent begrenzt. 2014 wurde dann noch die Vergütung für den Einsatz von Mais reduziert.
"Bei der Förderung durch das EEG hat man ja seit kurzem umgesteuert, so dass ein zusätzlicher Zubau an Biogasanlagen und an Anbaufläche nur noch sehr eingeschränkt bezuschusst wird. Dadurch ist in der Tat diese Zunahme generell des Anbaus von Pflanzen doch sehr stark gedrosselt worden."
Mais ist nicht immer gelb
In Zukunft soll verstärkt die Verwendung von Gülle zur Energieerzeugung unterstützt und der Anteil von nachwachsenden Rohstoffen zurückgedrängt werden. Doch auf den Äckern wird sich vorerst kaum etwas verändern.
"Wir müssen aber sehen, die bestehenden Flächen für die Biogaserzeugung, haben ja Zusagen für die weiteren 10-15 Jahre. Und von daher werden wir damit noch eine Zeit zu tun haben."
Anfang des 19. Jahrhunderts schuften mehr als vier Millionen Sklaven in den Südstaaten der USA auf Baumwoll- und Tabakplantagen. Mais ist ihr tägliches Brot. Die Nahrungs-Grundlage für die Sklavenhaltergesellschaft. Über den Sklavenhandel kommt der Mais nach Afrika. Und ist dort heute noch eines der Hauptnahrungsmittel:
"Wir kennen nur den gelben Mais, in Afrika ist der weiße Speisemais sehr üblich, dann gibt es rote Körner, es gibt auch gemischtfarbige Körner. Alles was sie sich vorstellen können."
Im Norden und Mittelwesten der USA entwickeln sich Viehwirtschaft und Maisanbau. Rinderherden werden quer durchs Land getrieben, vor der Schlachtung mit Mais gemästet. Die junge Nahrungsmittelindustrie spricht von "Veredelung" des Getreides: Sechs Kilo Mais werden für ein Kilo Fleisch benötigt. Oder einen Liter Whisky. (Musik drunter:
"Mais ist hochgradig technisiert. Sie können also mit sehr geringen Arbeitsstunden, Arbeitskraft, Arbeitseinsatz die Maisfläche beherrschen. Wir haben dabei letztendlich auch Arbeit, durch Kapital, durch Maschinentechnik ersetzt. Mit dem Ergebnis, das der Mais zu einer Verdrängung der Kulturpflanzen geführt hat."
Nirgendwo wird das heute deutlicher als in den USA. Mehr als 80 Prozent des angebauten Maises ist dort gentechnisch verändert. Durch eingeschleuste Bakterien-Gene soll die Pflanze selbst Gift gegen Schädlinge produzieren. Durch eine zweite Gen-Manipulation wird sie resistent gegenüber Unkrautvernichtungsmitteln, die alles außer dem Mais abtöten. Genmanipuliertes Saatgut plus passendes Spritzmittel. Alles aus einer Hand. Das ist die Grundlage des Mais-Business in Übersee. In Europa ist damit bisher allerdings nicht das große Geschäft zu machen. Hier mobilisiert der Gen-Mais die Gegenbewegung: Kleingärtner, Schulen und Umweltverbände pflanzen aus Protest "Bantam-Mais" an, eine vermehrungsfähige alte Sorte. "Gen-Mais – Nein Danke". In diesem Punkt sind sich Landwirte, Verbraucher, Umweltschützer und Politiker aller Parteien in Deutschland ausnahmsweise einig.
"Moderne Maissorten, die sich durch Züchtung den klimatischen Bedingungen in Deutschland angepasst haben, lassen auf einem Hektar Mais so viel Futter wachsen, das davon 60.000 Eier oder 15.000 Liter Milch erzeugt werden können oder 30 Schweine oder 6 Rinder davon gemästet werden. Das geht durch die geballte Energie – Mais ist eine Sonnenpflanze."
"Gefühlte Vermaisung"
"Der gelbe Planet" heißt der Aufklärungsfilm, herausgegeben vom Deutschen Maiskomitee. Gegründet wurde das Komitee bereits Mitte der 50er Jahre, als nur einige Mais-Landsorten in klimatisch geeigneten Regionen Süddeutschlands angebaut wurden. Mit den Züchtungs-Fortschritten und der Ausdehnung des Anbaus hat sich auch die Arbeit des Maiskomitees verändert. Professor Friedhelm Taube ist Vorsitzender des Deutschen Mais-Komitees, dem Interessenverband der Maiswirtschaft. Aufklärung sei nötig, findet Friedhelm Taube: Öffentlichkeitsarbeit für den Mais:
"Da ist vieles an Halbwissen unterwegs und deshalb haben wir uns entschieden, dass dort ganz offensiv dort zu dokumentieren mit den entsprechenden Quellen."
Friedhelm Taube ist im Hauptberuf Professor für Grünland und Futterbau sowie ökologischen Landbau an der Universität Kiel. Unter seiner Ägide betreibt das Deutsche Maiskomitee heute u.a. das Online-Portal "Maisfakten", gibt die Fachzeitschrift "Mais" heraus, entwickelt Broschüren, DVDs, Unterrichtsmaterial rund um die schnellwüchsige Pflanze. In den letzten zehn Jahren hat sich die Anbaufläche hierzulande verdoppelt: Auf rund zwei Millionen Hektar. Über eine "Vermaisung" der Landschaft klagen Kritiker. Friedhelm Taube spricht lieber von "gefühlter" Vermaisung.
"Die 'gefühlte Vermaisung' bedeutet, dass es objektiv andere Regionen in Deutschland gibt, wo wir dann von einer "Verrübsung" sprechen müssten, nämlich im Raum Hildesheim, da haben wir sehr viele Zuckerrüben. Wir müssten von einer Verweizung sprechen in Schleswig-Holstein, in Mecklenburg-Vorpommern, d.h. wir haben es in vielen Regionen Deutschlands mit einer massiven Einschränkung der Kulturarten-Diversität allgemein zu tun. Und die gefühlte Vermaisung rührt einfach daher, dass Mais als hoch aufwachsende Pflanze gerade dann auch den Touristen während der Sommerferien auffällt, weil sie dann sich massiv entwickelt, während Getreide dann schon zum größten Teil geerntet ist."
Um im Bild zu bleiben: Der im Mai gelb blühende Raps erfreut das Auge, während der im August meterhoch-stehende Mais den Blick verstellt. Kritik am Mais hat Konjunktur. Seine Vorteile werden dabei übersehen, findet der Wissenschaftler
"Ein Mythos: Nährstoffausträge. Nährstoffbelastung und Pflanzenschutzeinsatz. Wird Mais gewissermaßen mit viel Düngung in Verbindung gebracht. Ja, leider gibt es Landwirte, die mehr Nährstoffe düngen als der Mais braucht. Der Mais braucht nur halb so viel wie viele andere Pflanzen, um vollen Ertrag zu realisieren, d.h. wenn man das vernünftig macht, kommt man mit sehr, sehr wenig Stickstoff aus. Und da ist die Pflanze extrem effizient, z.B. viel effizienter als Raps."
Auch beim Spritzmittel-Bedarf steht der Mais vergleichsweise gut da. Denn er wächst den Unkräutern schlicht davon.
"Wenn man Mais nach guter fachlicher Praxis bewirtschaftet, braucht man nur einen einzigen Einsatz gegen Unkräuter. Bei vielen anderen Kulturarten, Getreide, Raps, brauchen sie vier, fünf, sechs, sieben Applikationen von Pflanzenschutzmaßnahmen. Wenn wir Mais aber falsch bewirtschaften oder wenn er falsch bewirtschaftet wird, also in jedem Jahr auf der gleichen Fläche Mais angebaut wird, dann bekommen wir da auch Probleme."
Ärger über die Agrar-Konzerne
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen bezeichnet den Mais als – Zitat – "risikoreiche und umweltgefährdende Kultur". Friedhelm Taube schüttelt den Kopf. Der Mais ist für ihn nicht das Problem:
"Ich würde eher sagen, manche Landwirte sind dann umweltgefährdende Individuen, wenn sie das nicht richtig handhaben. Aber nein, im Ernst, das Problem liegt eigentlich in einem anderen Bereich, nämlich in der Düngegesetzgebung und in der Kontrolle der Einhaltung der guten fachlichen Praxis. Das ist der Mechanismus, der die Veränderung herbeiführen würde."
Doch der Mais ist nicht nur die Begleitpflanze der industrialisierten Tiermast. Er ist auch der Indikator eines Konzentrationsprozesses, der die landwirtschaftlichen Strukturen nachhaltig verändert.
"Muuuh... Die hören den Trecker, den wir noch gar nicht hören und wissen, jetzt gibt's gleich Futter."
Landwirt Marco Hintze lehnt an einem Metallgitter im Freilaufstall. Braun-weiße Färsen stecken neugierig ihre Mäuler durchs Gitter. Hintze und sein Vater haben den landwirtschaftlichen Betrieb nach der Wende neu gegründet, sind sogenannte Neueinrichter.
"Muuh... Zur DDR-Zeit waren hier ganz viele Obstanlagen, ca. 10.000 Hektar Obst-Anbaugebiet und das ist ja nun schon zwischen 25, 30, 35 Jahre alte Bäume, sind wirtschaftlich nicht mehr lukrativ. Jetzt sind sie auf Treuhand-Flächen, die Treuhand sucht einen neuen Eigentümer und schon kommen die Großkonzerne, kaufen, roden und die bauen Mais an... (muuh)."
Auf die Agrar-Konzerne ist Marco Hintze aus Krielow an der Havel nicht gut zu sprechen.
"Ich hab definitiv eine Fläche an so einen Großkonzern verloren. Und wenn Versteigerungstermine sind im Amtsgericht oder ähnliches – sitzen die zuerst da und heben immer länger die Hände als wir."
Viele kleinere und mittlere Betriebe können nicht mehr mithalten und geben auf. So schreitet der Konzentrationsprozess voran.
"Wir sind in der Region, wir beleben das Dorf, die Familienbetriebe, die bäuerliche Landwirtschaft macht andere Sozialpolitik wie Großkonzerne, die kommen her mit den Schleppern per Tieflader, wie Heuschrecken, fallen ein, bestellen, fallen ein und ernten, machen wieder die Bestellung – die haben nichts vom sozialen Leben, was hier in der Gegend vonstattengeht."
Das Leben auf dem Land verändert sich. Im Dorf. Wie auf dem Acker. Dort verdichten die schweren Maschinen die Erde und verschlechtern so die Lebensbedingungen für Bodenorganismen.
".... aber es sieht so aus, dass diese großen Konzerne solche Flächen nur aussaugen. Mais, Mais, Mais, vielleicht bisschen Gär-Rest drauffahren, aber nicht in dem Verhältnis wie die Abfuhr ist. Die Humus-Bilanz muss stimmen und Mais ist eine Humus-zehrende Pflanze und deshalb wollen wir den Mais nicht verdonnern, wenn man eine ordnungsgemäße Landwirtschaft macht, dann ist das auch in Ordnung."
Ist die Pflanze wirklich so robust?
Untersuchungen aus Brandenburg zeigen: Auf einem Viertel der Maisanbaufläche wird die schnellwüchsige Pflanze fünf bis sieben Mal hintereinander angebaut. Innerhalb von sieben Jahren. Solche Monokulturen aber
können verheerende Folgen haben – für alle Landwirte, fürchtet Hintze.
"Bei Groß-Agrariern ist es oftmals so, da kommt ein Lohnunternehmer, der häckselt den Mais ab, dann werden riesigen Mieten gebaut irgendwo und die Fläche bleibt über Winter fast so liegen. Und das ist natürlich der größte Angriffspunkt für Schädlinge und Erkrankungen."
"Mais galt lange Jahre als sehr robuste, sehr verlässliche Pflanze. Ohne feststellbare Seuchen, Krankheiten, Schädlinge. Und wir erkennen jetzt über eine Zeitbeurteilung von 10 Jahren hinweg, wir haben jetzt erste Blattkrankheiten im Mais festzustellen, erste Beratungshinweise auf Fungizid-Einsatz werden publiziert. Das hatten wir vor zehn Jahren nicht."
Agrarwissenschaftler Rudolf Vögel hat die Mais-Geschichte beiseitegelegt. Blättert jetzt in aktuellen Berichten. Zu Schädlingsbefall. Und Maiskrankheiten.
"Wir haben über verschiedene Schädlinge, die man teilweise transkontinental eingeschleppt hat - Maiszünsler, Maiswurzelbohrer - Effekte, das Mais plötzlich als Pflanze von ähnlichen Kalamitäten betroffen wird, die wir von anderen Nutzpflanzen auch kennen. Also Mais ist nicht mehr der Segensbringer, die völlig unkomplizierte Anbau-Art, mit der man alles machen kann. Und sicherlich werden solche Aspekte weiter zunehmen. Und werden auch die Maiszüchtung und den Massengebrauch weiter beeinflussen, da bin ich überzeugt davon."
Mehr Schädlinge. Weniger Fördermittel. Das Umfeld für den Mais wird schwieriger. Ökologisch. Und Ökonomisch. Viel Arbeit für Maisberater Hanns-Jürgen Pfannkuchen. Doch der bleibt erstmal optimistisch.
"In diesem Jahr ist mehr Mais als Roggen angebaut worden. Und ich habe das so im Gefühl, dass das im nächsten Anbaujahr so 2016 genau das gleiche sein wird, weil aufgrund der Trockenheit sind die Erträge nicht so wie sich das die Landwirte vorgestellt haben und sie werden wieder noch ein bisschen mehr Mais anbauen müssen. Um a) einen kleinen Vorrat zu haben aber b eine sichere Futtergrundlage für die Kühe und die Biogasanlagen zu haben. Und deshalb wird sicherlich in diesem Jahr oder im nächsten Jahr vielleicht sogar nochmal ein bisschen mehr Mai angebaut werden."
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