Aus den Feuilletons

Der Sturz der Woche von Volker Beck

Man sieht den Grünen-Politiker Volker Beck an einem Rednerpult.
Mit 0,6 Gramm Drogen erwischt: Grünen-Politiker Volker Beck. © picture-alliance / dpa / Revierfoto
Von Ulrike Timm · 05.03.2016
Volker Becks Rückzug von seinen herausgehobenen Ämtern war bestimmendes Thema in den Feuilletons der Woche. Ob die politischen Verdienste des Grünen-Politikers jetzt wegen Dopings ungültig sind, fragt sich Claudius Seidl in der "FAS".
"Das Erhabene gehört zu jenen Begriffen, mit denen man sich nur beschäftigen sollte, wenn man auch ein Aspirin in Reichweite hat" – der Satz der Woche steht in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG, er schmückt eine Ausstellungsrezension:
"Ist der Berg selbst erhaben? Oder ist es das Gefühl, das er in uns provoziert?"
So geht es weiter, das kann man stundenlang im Kopfe kneten, ohne oder eben doch besser mit Aspirin. Allein, die Woche bewegte sich doch vor allem in den Tiefen der Ebene. Nix Erhabenes in Sichtweite, nicht mal Erhebendes.

Trump und die Sehnsucht der kleinen Leute

Stattdessen zum Beispiel: Trump. Donald Trump. Der Erfolg des republikanischen Präsidentschaftskandidatenaspiranten macht zunehmend die eigene Klientel fassungslos. Die WELT zitiert den Konservativen Robert Kagan:
"Die Partei kann nicht mehr gerettet werden, aber das Land."
Für einen ehemaligen Republikaner wie ihn gebe es nun nur noch die Wahl, für Hilary Clinton zu stimmen. Für den Schriftsteller Louis Begley speist sich der bisherige Erfolg des so großmäuligen wie politisch unerfahrenen Populisten Trump aus zwei Quellen: Da ist zum einen die Heile-Welt-Sehnsucht der kleinen Leute, die sich zu kurz gekommen fühlen. Vor allem aber ist dieser Hoffentlich-doch-nicht-Präsidentschaftskandidat ein Ergebnis der Radikalisierung der Republikaner selbst, erklärt uns Begley in einem Essay für die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG.
"Die republikanische Partei und ihre arrivierten Funktionäre, die Trump verabscheuen, haben ihn in ihrem eigenen Labor kreiert ... Trump hat offengelegt, wie übel verkommen und hohl der Republikanismus im einundzwanzigsten Jahrhundert ist".
Eine wesentliche Ursache sei die faktische Diskussionsverweigerung mit der Regierung Obama mitsamt eines zur Schau getragenen, teilweise rassistisch grundierten Mangels an Respekt.
"'Präsident Obama' oder auch nur 'Barack Obama' sind Wörter, die kein republikanischer Kandidat in den Mund nimmt. Für Republikaner ist er immer nur 'dieser Präsident",
so Louis Begley in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG.

Verschärfte Kritik bis hin zur Häme für Volker Beck

"Wenn ein Moralist sich moralischer Verfehlungen schuldig macht, bringt ihm das verschärfte Kritik bis hin zur Häme ein", lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zum Sturz der Woche, dem des Grünen-Politikers Volker Beck, der mit 0,6 Gramm Drogen erwischt wurde und alle herausgehobenen politischen Ämter niedergelegt hat:
"Volker Beck ist zweifelsohne ein Moralist, er entspricht in vielerlei Hinsicht sowohl dem Ideal- als auch dem Zerrbild des politisch aktiven, stets pädagogisch agierenden Menschen."
Die TAZ wertet nach der Daumen-hoch-Daumen-runter Methode. Beck solle im Bundestag bleiben, meint Jan Feddersen, schließlich habe er "die Aktenlagen bis zum letzten paragrafären Spiegelstrich so gut drauf, wie es sonst nur Wolfgang Schäuble nachgesagt wird". Jürn Kruse hält dagegen:
"Es ist sein Gang nach Canossa. So will er zumindest, dass es aufgefasst wird. Dabei ist es höchstens ein Gang von Berlin nach Salzburg oder Innsbruck. Er bleibt auf halbem Weg stehen."
Nun mal halblang, scheint Claudius Seidl in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG dazwischen zu rufen, er sieht die Debatte ins Moralinsaure entgleiten:
"Ist Volker Becks Engagement für die Rechte der Homosexuellen wegen Dopings ungültig? Ist er in der Fraktionssitzung verhaltensauffällig geworden, hat er Leute belästigt, hat er Geheimnisse verraten? (Okay, manchmal twittert er ziemlich konfuses Zeugs in den Nächten, was man auf Droge zurückführen könnte, aber konfuser als das, was andere nach dem dritten Glas Rotwein twittern, ist es auch nicht; schaden tut er damit auch nur sich selbst.)",
so Claudius Seidl in der FAS.

Wiederentdeckter Lenz-Roman "Der Überläufer"

Alle Zeitungen widmen dem wiederentdeckten, frühen Roman von Siegfried Lenz, "Der Überläufer", ausführliche Besprechungen. Die Geschichte eines Soldaten, der sich in den letzten Kriegstagen der Roten Armee anschließt, war zu provokant - so sah es damals der Lektor. "Wirklich spannend ist heute etwas anderes", so ZEIT-Autor Helmut Böttiger:
"Die Zeit Anfang der 50er-Jahre erscheint hier wie in einem Konzentrat, und das ist ein ästhetisch wirksames Gegengift gegen so manche aktuellen Verklärungen dieser Jahre."
Wirklich nix Erhabenes all überall, oder doch wenigstens Erhebendes, gar nix, nicht die kleinste Prise? Doch. Im Kino. Lassen Sie sich von ihren Kindern mitnehmen, in den Animationsfilm "Zoomania", Eisbärmafiosi gegen Hasen-Cops, eine kleine Häsin geht zur Polizei, die ansonsten von Bären, Nashörnern und anderem Großwild beherrscht wird. Kann das gut gehen? Unbedingt, meint ein begeisterter Dietmar Dath in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN:
"Dies alles ist mit leichtester Pfote in ein wuselwildes Drama eingebettet. Die Bildsprache dazu schwingt elegant vom Drolligen zum Pathos und zurück, nicht eine Sekunde müffelt der Film nach Pädagogik."
Das aber ist immer das Allerbeste ...
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