Abschied von einer umstrittenen Person

Von Matthias Bertsch · 29.10.2010
20 Jahre lang hat Wolfgang Benz das Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin geleitet. Scharf kritisiert wurde er für seine Vergleiche des Antisemitismus im 19. Jahrhundert mit der Islamkritik von heute.
Wer zu Antisemitismus forscht, muss sich vor allem mit einem beschäftigen: mit der Entstehung und Verbreitung von Vorurteilen. Was dem Zentrum für Antisemitismusforschung schon bei seiner Entstehung als Überzeugung zugrunde lag, ist für Wolfgang Benz bis heute eines seiner wichtigsten Anliegen:

"Das würde ich mir dann vielleicht auch als Verdienst zuschreiben, eine engere Antisemitismus-Forschung, die sich nur mit der Minderheit der Juden beschäftigt hat, etwas zu erweitern, um andere Minderheiten in den Griff zu nehmen, in der Hoffnung, jetzt über das Wesen des Vorurteils bessere Aufschlüsse und Erkenntnisse zu kriegen, das scheint mir immer noch höchst notwendig."

Dass sich das Zentrum für Antisemitismusforschung auch mit dem Antiziganismus, der Diskriminierung der Sinti und Roma beschäftigt, hat bislang keine größere Kritik hervorgerufen, doch als das Institut unter dem Titel "Feindbild Muslim – Feindbild Jude" vor zwei Jahren eine Konferenz über das Verhältnis von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit veranstaltete, schlugen die Wellen hoch.

"Seit ich das Problem der Ausgrenzung der Minderheit der Muslime im Vergleich zu der früheren Ausgrenzung der Minderheit der Juden öffentlich thematisiert habe, das war für eine kleine Gruppe von selbsternannten Experten offensichtlich ein Tabubruch, seitdem werde ich mit Krawall überzogen, mit obszönen Anschuldigungen im Internet behelligt. Das ist eine kleine Gruppe, fünf, sechs Leute, die aber lautstark gegen das Zentrum und vor allem gegen mich kämpfen."

Zu diesen selbsternannten Experten gehören der Journalist Henryk M. Broder und der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel, die beide für einen oft polemischen Ton bekannt sind. Doch seit Benz vor einigen Monaten in der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel "Hetzer mit Parallelen" einen Essay über strukturelle Ähnlichkeiten zwischen Antisemiten und Islamfeinden geschrieben hat, ist die Gruppe der Kritiker deutlich größer geworden.

Kritik am Islam mit Antisemitismus zu vergleichen sei abwegig, so der Historiker Michael Wolffsohn, und der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums in Potsdam, Julius Schöps unterstrich, dass die Islamkritiker - anders als die Antisemiten im Fall der Juden - den meisten Muslimen keineswegs den Plan einer Weltverschwörung unterstellten. In Teilen der islamischen Welt allerdings, so Schöps, blühten antisemitische Stereotypen und fanatische Israelkritik. Eine Entwicklung, die längst auch auf westeuropäische Großstädte übergegriffen hat, wie auch Benz weiß:

"Natürlich ist wachsender Antisemitismus unter muslimischen Zuwanderern ein zentrales Thema für das Zentrum für Antisemitismusforschung. Nur müssen wir dazu ausgestattet sein. Ich brauche dann, oder meine Nachfolge braucht dann, vielleicht ein, zwei Stellen mehr von Menschen, die die entsprechende Sprachkompetenz haben, die Türkisch oder Arabisch können, um die entsprechenden Untersuchungen vor Ort durchführen zu können."

Doch der Verweis auf das fehlende Geld wirkt ein wenig halbherzig. Andere Projekte wie das Forschungsprojekt "Rettung von Juden im nationalsozialistischen Deutschland" hat der engagierte Forscher schließlich durch Drittmittel finanziert. Insofern scheint es auch um eine Prioritätensetzung zu gehen – und um die Frage: Soll sich das Zentrum für Antisemitismusforschung im Rahmen einer allgemeinen Vorurteilsforschung in Zukunft verstärkt den Muslimen als Opfer von Diskriminierung zuwenden – oder den Antisemitismus als Ressentiment untersuchen, das sich ganz spezifisch gegen Juden und Israel richtet und - glaubt man den Berichten jüdischer Institutionen hierzulande - vor allem bei muslimischen Einwanderern am Wachsen ist?

"Die Frage stellt sich so nicht: Müssen wir jetzt mehr Islamophobie betrachten und weniger den Judenhass? Das Zentrum für Antisemitismusforschung beschäftigt sich in erster Linie mit der Feindschaft gegen Juden, und es darf aber darüber nicht vernachlässigen, wir hätten sonst nichts aus der Geschichte gelernt, aber auch gar nichts, dass dieses Vorurteil ein bewegliches Vorurteil ist, dessen Methoden auch gegen andere eingesetzt werden können."

Im April wird Stefanie Schüler-Springorum die Nachfolge von Benz antreten. Die Historikerin ist seit fast zehn Jahren Direktorin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg. Schüler-Springorum weiß, dass sie als Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung auch die Frage klären muss, wo die Schwerpunkte des Instituts in Zukunft liegen sollen. Bislang allerdings will sie sich dazu nicht äußern, denn schließlich, betont sie, seien die Verhandlungen mit der TU Berlin über die Ausstattung ihrer Stelle noch nicht abgeschlossen.