Abgesang auf die materialistische Welt

Rezensiert von Carsten Hueck · 12.01.2006
Der Journalist Tiziano Terzani war zeitlebens ein Reisender. Er schrieb für italienische Zeitungen und den "Spiegel" aus Asien. Als er 1997 erfährt, dass er Krebs hat, reist er noch einmal um die Welt und probiert diverse Heilpraktiken, um am Ende im Himalaya ein unsentimentales Resümee zu ziehen.
"Von dieser Reise will ich erzählen, weil ich weiß, wie viel Mut Erfahrungen von Menschen machen können, die bereits ein Stück jenes Weges zurückgelegt haben, den andere erst angehen müssen."

Tiziano Terzani, 1938 in Florenz geboren, ist Zeit seines Lebens ein Reisender - doch kein Reiseschriftsteller im klassischen Sinn. Seine Berichte zielen auf tieferes Verständnis und spirituelle Erweiterung. Als Pendler zwischen Kulturen, in Orient und Okzident, ist Terzani nie ausschließlich geographisch unterwegs.

Jahrzehnte lang lebt der Jurist und Journalist in Asien. In Tokio, Peking und Neu Dehli erlernt er die Landesprachen, bemüht sich, Menschen und Verhältnisse von innen heraus zu verstehen. Seine Erfahrungen vermittelt er der westlichen Öffentlichkeit, indem er für italienische Zeitungen schreibt.

25 Jahre lang ist er Asienkorrespondent des SPIEGEL und veröffentlicht zahlreiche Bücher. Zu den bekanntesten zählen die Beschreibung des zerfallenden Sowjetreiches "Gute Nacht, Herr Lenin"(1993), "Fliegen ohne Flügel. Eine Reise zu Asiens Mysterien" (1996), sowie das kontrovers diskutierte Buch "Briefe gegen den Krieg" (2002), in dem Terzani nach dem 11. September 2001 aus Afghanistan und Pakistan berichtet.

Der Autor pflegt einen literarischen Stil. Als hintergründiger Chronist der Ereignisse, sicherer Analytiker und sensibler Mahner unterscheidet sich Terzani von sensationslüsternen Reportern. Er gilt als einer der Großen seiner Zunft. Angesehen als Kritiker und Kenner. Den Dalai Lama und Uno-Generalsekretär Kofi Annan zählt Terzani zu seinen Freunden.

1997 erfährt der gebildete, noble Toskaner, dass er Krebs hat. Krankheit und möglicherweise bevorstehender Tod werfen Fragen auf, denen sich Terzani stellen will. Er zieht sich aus dem Beruf zurück und begibt sich noch einmal auf eine Reise.

"Plötzlich hatte ich das Gefühl, nur noch wenige Kräfte zur Verfügung zu haben und diese optimal bündeln zu müssen. Ich beschloss, niemanden einzuweihen, nur die Kinder und jene Freunde, die mein Verschwinden aus der Welt nicht so einfach hingenommen hätten."

Dieser Entschluss ist Ausgangspunkt für Terzanis letzten Reisebericht "Noch eine Runde auf dem Karussell". Thailand, Indien, die Philippinen, Hongkong, New York und der Himalaya sind die äußeren Stationen. In New York wird Terzani von wissenschaftlichen Koryphäen operiert, alternativ praktiziert er Qi-Gong bei Master Hu, einem Wunderheiler mit PR-Assistenten; er probiert Reiki in Dehli, Ayurveda bei einem indischen Kräuterarzt, Darmspülungs- und Fastenkur am Strand von Thailand.

Terzani sucht Yogalehrer, heilige Männer und einen von Wunderpilzen besessenen Millionär auf. Spinner, Phantasten, Weise. Monatelang lebt er in einem indischen Ashram, lässt keinen Versuch aus, Geist und Körper zu reinigen. Hin- und hergerissen zwischen westlicher Wissenschaft und fernöstlichen Heilmethoden führt Terzani mit Humor, skeptisch, doch neugierig, durch den Dschungel alternativer und klassischer Medizin.

Er sucht Heilung - doch vor allem sich selbst. Am Ende seines Weges zieht er schließlich in eine kleine Lehmhütte im Himalaya. Dort schreibt er "Noch eine Runde auf dem Karussell". Ein heiterer, unsentimentaler Abgesang auf die materialistische Welt. Entspannt, ironisch, engagiert und lebensklug. Ein 700-Seiten-Vermächtnis, das zum Nachdenken anregt: über Globalisierung und Grundlagen unserer Zivilisation, über die rechte Weise zu leben und über den Tod.


Tiziano Terzani: Noch eine Runde auf dem Karussell.
Vom Leben und Sterben

Aus dem Italienischen von Bruno Genzler.
Hamburg, Hoffmann und Campe,
731 S., 24 €.