Ab in den Tunnel

Von Verena Kemna · 21.06.2008
Die Pfeiler für die Dresdner Waldschlösschenbrücke über die Elbe sind längst in die Erde gerammt. Dennoch kämpft die Initiative "Welterbe erhalten" für den Baustopp und einen Tunnel. Anfang Juli schlägt der Schicksalsstunde: Dann wird die Unesco entscheiden, ob die Elbestadt auch mit Brücke Weltkulturerbe bleiben darf.
Lautsprecher stehen auf den Pflastersteinen vor dem Brandenburger Tor. Klassische Musik tönt über den Vorplatz. Menschen stehen in kleinen Gruppen zusammen, diskutieren.

Kerstin Busasch ist in Dresden groß geworden und lebt dort. Das allein ist für sie Grund genug, um bei der letzten Station vom Weltkulturmarsch dabei zu sein. Sie steht vor dem Brandenburger Tor, zeigt mit der Hand auf das Transparent eines Landschaftspanoramas. Darauf leuchtet in der Sonne die Stadtkulisse von Dresden, aufgenommen an einem ganz besonderen Ort:

"Also, wir stehen an einer erhöhten Stelle von Dresden, an der Bautzener Straße, vor sich die breiten Elbwiesen, den Elberadweg. Die Elbe schlängelt sich durchs Tal und man kann direkt die Frauenkirche sehen. Man hat die Augustusbrücke vor sich. Man ist einfach fasziniert von dem Blick auf Dresden. Das ist ein Panoramablick."

Auf der Riesen-Fotoleinwand ist die scheinbar unberührte Realität des Dresdner Elbtals zu sehen. Ohne Waldschlösschenbrücke. So soll es bleiben, fordern die Mitglieder der Initiative "Welterbe erhalten". Ein gelbes Ortsschild mit der Aufschrift: Weltkulturerbestadt Dresden steckt schief in einem alten Gummireifen.

Die Unesco entscheidet Anfang Juli, ob das Dresdner Elbtal den Weltkulturerbestatus behalten darf. Seit November 2007 wurden bereits hunderte Bäume gefällt, Baufahrzeuge haben Zufahrtsschneisen in den naturgeschützten Elbwiesen hinterlassen, die Fundamente für die Brückenpfeiler der umstrittenen Waldschlösschenbrücke stehen.

Kerstin Busasch möchte sich lieber nicht vorstellen, wie die fertige, auf 160 Millionen Euro Baukosten geschätzte Brücke, aussehen wird:

"Es wäre ein vierspuriger Autobahnzug, der einfach von der Geräuschkulisse, von den Abgasen zerstörend in dieses Landschaftsbild eingreifen würde."

Die Autobahnbrücke würde den sogenannten Canaletto- Blick auf die barocke Innenstadt zerstören. Deshalb streitet eine Dresdnerin wie Kerstin Busasch mit den Vertretern der Initiative "Welterbe erhalten" für eine Alternative, die sogenannte Tunnellösung.

"Wir hoffen, dass die Politiker in irgendeiner Form so umgestimmt werden, dass sie zumindest auf einen Kompromiss eingehen können. Und der Kompromiss wäre eine Tunnellösung, die die Oberfläche der Landschaft und des Dresdner Elbtals erhält."

Ein Tunnel, so die Vertreter der Initiative, wäre kaum teurer als die geplante Brücke, ein Tunnel würde Landschaft und Natur erhalten und den Welterbetitel der Unesco bewahren. Die Dresdner Kunsthistorikerin Heidrun Laudel erklärt, weshalb das Dresdner Elbtal etwas Besonderes ist. So wurde die Elbe bei Dresden nie kanalisiert:

"So dass wir heute bis ins Zentrum hinein die Auen haben und es gibt auf der Neustädter Seite einen Landschaftszug, der vom Zentrum bis zu den Hängen, den so genannten Loschwitzbergen reicht und am Ende dieses Landschaftszuges eine ganz große Ausweitung der Elbaue. Das heißt, es ist ein zusammenhängender Landschaftszug und der soll nun mit einem Brückenbauwerk zerstört werden."

Für den Initiator der Bürgerinitative liegen die politischen Beweggründe für den Bau der Waldschlösschenbrücke auf der Hand. Michael Grasemann vermutet, dass es nicht um die Sache sondern vielmehr um politische Versprechen geht. Die konservative Landesregierung wolle ein Zeichen setzen für Baufreiheit im Elbtal.

Grasemann fordert einen Bürgerentscheid. Doch das Regierungspräsidium Dresden habe ein dazu notwendiges Bürgerbegehren einfach nicht anerkannt. Nun, nach fast zwei Wochen Weltkulturmarsch durch ganz Deutschland ist sein Gesicht von der Sonne verbrannt. Er wirkt erschöpft, lehnt an den Schautafeln, die die unendliche Geschichte pro und contra Waldschlösschenbrücke dokumentieren. Michael Grasemann spricht von einem Glaubenskrieg:

"Die einen sagen das ist eine schöne Kulisse, wir brauchen aber vor allem Straßen und die anderen sagen, wir möchten die Substanz hier in Dresden erhalten. Dresden ist eine Autostadt mittlerweile. In jeder anderen deutschen Stadt nehmen die Leute das in Kauf, mal ein paar Minuten im Stau zu stehen und die Dresdner? Denen ist eingeredet worden, dass sie ganz schnell zu jeder Zeit von A nach B kommen und irgendwann gibt es gar keine Substanz mehr, zu der man hinfahren kann."

Er hofft, dass sich die Bundespolitik einschaltet.

"Wir haben den Bundespräsidenten angeschrieben, Herrn Horst Köhler und auch die Bundeskanzlerin und überall wurde das als sächsisches Problem deklariert. Wenn die Unesco jetzt ganz klar sagt, wenn diese Brücke weiter gebaut wird, ist der Titel weg. Ihr habt noch eine Chance, hier einen Tunnel zu bauen, dann ist das ein ganz klares Signal, wo jetzt die Bundesregierung und das Auswärtige Amt in der Pflicht ist, darauf zu reagieren."

Einige hundert Besucher haben sich bei dieser so genannten "last minute tour der welterben" vor dem Brandenburger Tor informiert, sich in das Gästebuch eingetragen und Postkarten an die Bundeskanzlerin unterschrieben. Wenn die Brücke trotz vieler engagierter Bürger weiter gebaut wird, wenn die Unesco den Welterbestatus aberkennt, dann hätte das Folgen für die ganze Bundesrepublik, so die Meinung der meisten Besucher:

"Der Schaden wäre, dass das Bürgerengagement nicht mehr den Stellenwert haben würde, den es haben sollte. Dass die Kraft des Einzelnen nachlässt, dass wir uns nicht mehr so für die Dinge einsetzen, die wichtig sind. Und ich begrüße es sehr, dass eine Bürgerinitiative sich hier vor Ort stark macht, das ist ganz wichtig, das brauchen wir. Dresden ist einfach eine ganz wichtige liebenswerte Stadt. Wir haben sie lieben gelernt. Ja, ich bin Holländer und fahre seit ´99 regelmäßig nach Leipzig und Dresden. Ich liebe die Stadt und der Blick muss so bleiben."