86-jähriger Heinz Grotzke

Ein Teebauer auf Rügen

Ein Tasse grüner Tee
Ein Tasse grüner Tee © picture alliance / Jens Kalaene
31.08.2015
Heinz Grotzke beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Heilpflanzen. Für seine Tee-Mischungen, die er inzwischen auf Rügen anbaut, studiert der Teebauer auch Rezepte aus dem 16. Jahrhundert.
"Am besten beide jetzt die Kornblumen und später noch die Gänseblümchen und ich fange an, die Apfelminze zu schneiden."
Es ist früher Morgen. Die Blumen und Kräuter sind noch feucht vom Tau der letzten Nacht. Die drei Rentner tragen festes Schuhwerk, Sommerblusen und Strohhüte. Bald wird die Sonne auf ihre Köpfe und gekrümmten Rücken herunterbrennen. Und es gibt viel zu ernten.
Grotzke: "Irgendwie wächst hier mehr. Ich meine, das sind Lichtkräfte und Bodenkräfte. Irgendwie wird das hochgezogen." (lacht)
Schneider: "Dem Licht entgegen."
Grotzke: "Dem Licht entgegen."
Grotzke: "Das ist ein ganz besonderer Teil des Feldes. Das muss ich wirklich sagen. Ich habe so etwas noch nie gesehen, seit ich so eine Pflanzung gesehen habe."
Licht, andere Kräfte und eine Menge Erfahrung
Nun, da mögen Licht – und andere Kräfte wirken. Aber auch eine Menge Erfahrung. Heinz Grotzke beschäftigt sich schon seit seiner Kindheit mit Heilpflanzen und ihrem biologischen Anbau. Seit über 70 Jahren. Gelernt hat er damals bei "Weleda" – der Schweizer Unternehmensgruppe für anthroposophische Arzneimittel und Kosmetika. Dann wanderte der Norddeutsche in die USA aus. Und blieb 60 Jahre dort.
Gemeinsam mit seiner Frau. Ihre Demenz war 2003 der Anlass für das Paar nach Deutschland zurückzukehren. Vier Jahre später verstarb sie. Und Heinz Grotzke wollte wieder tun, was er immer getan hatte: Kräuter und Blumen anbauen.
In den USA war Grotzke ein erfolgreicher Geschäftsmann. Er baute biologisches Gemüse an, entwickelte Farbmischungen für Stoffe und vertrieb anthroposophische Heilmittel.
Das alles erzählt der 86-Jährige, während er die Apfelminze schneidet. Aber nur auf Nachfrage.
"Was zählt im Leben ist die Tat"
"Ich meine, das ist halt auch meine Philosophie: Was zählt im Leben ist die Tat und nicht das Reden darüber."
Ein Leben ohne Kräuter und Blumen – für Heinz Grotzke unvorstellbar!
"Das sind ja die Düfte von diesen Kräutern, die man vermisst, wenn man sie nicht mehr hat."
Obschon die Ernte mühsam ist. Es wächst nun mal das Meiste auf Knie-Höhe.
"Das Schlimmste was die Leute immer empfinden wenn sie helfen, ist, dass alles im Bücken gemacht wird. Und die das nicht gewohnt sind, haben natürlich Schwierigkeiten."
Renate Biesel ist es gewohnt. Sie und ihre Freundin Irene Schneider, machen seit Jahren Urlaub auf Rügen. Früher haben sie als Lehrerinnen in einer Waldorfschule in der Schweiz gearbeitet. Vor drei Jahren lernten sie dann Heinz Grotzke auf der Insel kennen. Seither helfen sie ehrenamtlich mit. Im Urlaub nur am Strand zu liegen, das ist den Frauen zu langweilig.
"Es geht ja bei uns auch gar nicht ums Verdienen"
Renate Biesel – zierlich, kurze braune Haare – beugt sich über tiefblaue Kornblumen.
"Ich habe das gerne, ganz still vor mich hinzuarbeiten. Und dann denke ich, ach, heute Nacht träume ich noch von dem Orange oder von dem Blau der Kornblumen. Und das Wetter. Ob es jetzt windet oder jetzt kommt die Sonne: das ist einfach schön, wenn man das machen kann. Solange man sowas machen kann.... das ist doch das tollste was es gibt. Ich kann mir keine sinnvollere Beschäftigung vorstellen. Wir machen es zusammen und es ist auch nicht so gehetzt oder stressig: Jetzt müssen wir!Oder im Akkord - wir sagen manchmal aus Spaß: Wieviele Minuten gibst du uns für die Reihe? Es geht ja bei uns auch gar nicht ums Verdienen oder was hat das jetzt gebracht, sondern es kann damit etwas gemacht werden was, wie der Heinz Grotzke sagt, anderen Menschen hilft."
Für seine Tee-Mischungen studiert Heinz Grotzke auch Rezepte aus dem 16 Jahrhundert.
Wahrhaftig und bescheiden sei er geblieben, sagt Irene Schneider. Trotz seines immensen Wissens und seiner Erfahrung.
"Diese Sachen, die man hier findet, also auch Lavendel... diese Kombination, wie er Tee macht und wie er Kräuter mischt auch etwas ist, was sehr speziell ist und mir unbekannt."
Wirklich effizient ist das Ganze noch nicht
Seine Teemischungen verkauft Heinz Grotzke seit drei Jahren an ausgewählte Läden auf Rügen. Und über seine Internetseite. Das Geschäft läuft.
Nur wirklich effizient ist das Ganze noch nicht: Die Ernte müssen Grotzke und seine Helferinnen einmal quer über die Insel fahren - nach Göhren – wo der 86 jährige wohnt. Dort schneiden sie die Apfelminze und andere Kräuter und legen die Kornblumen zum Trockenen aus. Dann müssen die verschiedenen Teesorten gemischt, verpackt und zu den Geschäften transportiert werden. Im Sommer, auf den vollen Küstenstraßen, sind diese Fahrten nun wahrlich kein Spaß für die fleißigen Rentner.
"Deshalb macht es eigentlich keinen Sinn."
"Außer man fährt zusammen. Dann kann man sich viel erzählen über das Leben und auch über die Zukunft."
Die Zukunft, die bereitet dem 86-Jährigen Sorgen. Ewig wird er diese anstrengende Arbeit nicht leisten können. Jetzt, wo er die Teeplantage aufgebaut hat und das Geschäft läuft, würde Heinz Grotzke gerne jemand jüngeren finden, der sie übernimmt. Einen Romantiker, der sich daran freut, Schönheit zu schaffen.
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