Briefwechsel mit Astrid Lindgren

Das schwierige Kind und die Schriftstellerin

Die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, aufgenommen 1989 in der Fußgängerzone Arbat in Moskau während eines Russland-Besuchs.
Die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, aufgenommen 1989 in der Fußgängerzone Arbat in Moskau während eines Russland-Besuchs. © picture alliance / dpa
Sara Schwardt im Gespräch mit Frank Meyer · 26.11.2015
Mit zwölf schreibt Sara Schwardt der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, weil sie von "Pippi Langstrumpf" begeistert ist. Daraus entsteht eine Korrespondenz, die man jetzt in "Deine Briefe lege ich unter die Matratze" nachlesen kann. Lindgren habe ihr Lebenshilfe gegeben, betont Schwardt, die als Mädchen in die Jugendpsychiatrie eingewiesen wurde.
Am 15. April 1971 schreibt die damals 12-jährige Sara Schwardt der berühmten Kinderbuchautorin Astrid Lindgren einen Brief. Darin lobt sie die Pippi-Langstrumpf-Bücher und bittet die Schriftstellerin um eine Filmrolle, denn Sara will Schauspielerin werden.
"In ihrem ersten Brief antwortete Astrid Lindgren sehr scharf", erinnert sich Sara Schwardt. "Sie behandelte mich fast wie eine Erwachsene, wie eine Rezensentin."
Diesen Brief habe sie zerrissen und die Toilette heruntergespült, sagt Schwardt. Denn natürlich wurde nichts aus der Filmrolle. Aber er begründete einen mehr als 40-jährigen Briefwechsel zwischen Astrid Lindgren und ihr. In etwa 80 Briefen tauschten die beiden bis zu Lindgrens Tod 2002 ihre Gedanken aus. Jetzt ist der Briefwechsel auf Deutsch erschienen.
"Astrid Lindgren hatte immer Kontakt mit dem Kind in sich selbst"
In gewisser Weise hat die Schriftstellerin mit ihren Briefen das schwierige Kind gerettet, das von der Schule flog und in die Jugendpsychiatrie eingewiesen wurde. Die Briefe von Astrid Lindgren hätten ihr Selbstvertrauen gegeben und ihr gezeigt, dass nicht alles an ihr völlig verkehrt sei, sagt Sara Schwardt. "Wenn es einem Mädchen oder einem Jungen schlecht geht und es gibt auch nur einen Erwachsenen, der sich kümmert als Bezugsperson, dann macht das den Unterschied in der Entwicklung dieses jungen Menschen."
Astrid Lindgren habe einmal geschrieben, dass sie sich mit ihr verwandt fühle, sagt Sara Schwardt. Auch sie habe diese Seelenverwandtschaft empfunden.
"Ich glaube aber auch, dass fast alle Menschen, die Astrid Lindgrens Bücher lesen, sich mit ihr irgendwie seelenverwandt fühlen. Astrid Lindgren hatte immer Kontakt mit dem Kind in sich selbst, und ich glaube, jeder hat irgendwo immer noch das Kind in sich selbst, egal ob man noch den Kontakt dazu hat oder nicht. Und das führt oft zu einem Gefühl der Zusammengehörigkeit mit dieser Frau."

Astrid Lindgren / Sara Schwardt: "Deine Briefe lege ich unter die Matratze. Ein Briefwechsel 1971-2002"
Aus dem Schwedischen von Birgitta Kicherer
Verlag Friedrich Oetinger 2015, Hamburg 2015,
240 Seiten, 19,99 Euro
Ab 17 Jahren

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