70 Jahre "Neues Deutschland"

"Denen eine Stimme geben, die sonst keine haben"

Der Schriftzug Neues Deutschland ist auf einem Gebäude am Berliner Franz-Mehring-Platz zu sehen. Dort ist unter anderem auch die Redaktion der überregionalen Tageszeitung "Neues Deutschland" untergebracht. Bis 1989 war die Zeitung in der DDR das Zentralorgan der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
Der Schriftzug Neues Deutschland ist auf einem Gebäude am Berliner Franz-Mehring-Platz zu sehen. © dpa / picture alliance / Paul Zinken
ND-Chefredakteur Tom Strohschneider im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 21.04.2016
In diesen Tagen wird das "Neue Deutschland" 70 Jahre alt. Das frühere SED-Zentralorgan hat seit der Wende an Auflage und Bedeutung eingebüßt. Aber das ND lebt - und versucht immer noch, "einen anderen Blick auf die Politik zu nehmen", sagt Strohschneider.
Am 23. April 1946 erschien die erste Ausgabe des "Neuen Deutschland", seinerzeit "Zentralorgan der SED". Heute nennt sie sich "sozialistische Tageszeitung" und hat, gemessen an der Zeit bis 1989, an Bedeutung, Wahrnehmung und Auflage stark verloren.
Heute sei das "Neue Deutschland" zwar parteilich, sagt Chefredakteur Tom Strohschneider, aber keine Parteizeitung, trotz einer Gesellschafterkonstruktion, an der die Linkspartei beteiligt sei. Und trotz der Tatsache, dass viele Menschen gerade im Westen die Zeitung immer noch für eine Art verlängerten Arm einer Partei hielten.
"Ich glaube, es ist eher eine journalistische Haltung, denen eine Stimme zu geben, die sonst keine haben. Einen bisschen anderen Blick auf die Politik zu nehmen."

Selbst Rechtschreibfehler der SED durften nicht korrigiert werden

In den vergangenen Jahren habe die Zeitung einige Versuche gemacht, mit ihrer DDR-Vergangenheit umzugehen. "Wir haben eine doppelte Biografie, und was die Zeitung vor 1989 war, ist mit dem Verständnis von Journalismus, was wir heute haben, nicht vergleichbar."
Zu DDR-Zeiten habe das "Neue Deutschland" oft gelogen, sagt Strohschneider, auch wenn das Lügenhafte bisweilen eine dadaistische Qualität hatte:
"Wenn ein Text aus dem 'Hohen Haus', vom Zentralkomitee wieder zurückkam und der hatte einen Rechtschreibfehler, durfte der in der Redaktion nicht korrigiert werden, weil die Wahrheit war halt auf der Seite der Parteiführung."
Den 70. Geburtstag wird das "Neue Deutschland" feiern, "wie ein 70-Jähriger feiert", so Strohschneider, "mit Jazz, Ska, der wunderbaren Bernadette La Hengst".
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