60 Jahre BRAVO

    "Dr. Sommer hat mir nie geantwortet"

    Die undatierte Aufnahme zeigt die Titelseite der ersten «Bravo» vom 26.08.1956. Für Millionen Teenager war sie der Inbegriff der Jugend, jetzt nähert sich die «Bravo» langsam dem Rentenalter. Am 26.08.2016 wird sie 60. Foto: Bauer Media Group/BRAVO/dpa
    Die «Bravo» wird 60 © Burda/Bauer Media Group/BRAVO/dpa
    Von Antonia Jordi · 26.08.2016
    Zum 60. Geburtstag der Jugend-Zeitschrift Bravo haben wir Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in unserem Funkhaus gefragt, welche Erinnerungen sie an die Bravo haben.
    Die Jugendzeitschrift Bravo wird 60 Jahre alt - wir gratulieren! Hören Sie hier den Beitrag von Laf Überland: Bravo hatte bis zum allmählichen Niedergang durch das Internet eine unangefochtene Position als meinungs- & geschmacksbildendes Zentralorgan der Pubertierenden - sozusagen ein Spiegel der Pubertät im Wandel der Zeit.
    Die Bravo ist zwar eine westdeutsche Zeitschrift. Sie hatte aber auch viele ostdeutsche Leser. Oder soll man besser sagen: Nutzer? Denn nirgendwo war die Bravo als Tauschgut so wertvoll wie in der DDR. Kulturredakteur Vladimir Balzer, in der DDR aufgewachsen, erinnert sich.
    Der Popmusikfototgraf Didi Zill wurde durch seine Arbeit für Bravo bekannt. In "Tonart" berichtet er von seinen Erinnerungen an diese Zeit.
    Neben der Bravo gab es noch einer etwas kantigeren Jugendzeitschrift zu gedenken: "Twen", die von 1959 bis 1971 erschien. Herausragend war vor allem das Design, für das Willy Fleckhaus verantwortlich war. Über seinen ästhetischen und inhaltlichen Einfluss auf die Twen sprechen wir mit Hans-Michael Koetzle.

    Auch die Deutschlandradio-Redakteur*innen waren BRAVO-Leser*innen. Hier ein paar Outings:

    Vladimir Balzer: "Die Bravo war bei uns im Osten ein Schatz zum Tauschen"


    "Ende der 80er Jahre kam ich in die Pubertät und da war natürlich die Bravo mein Leitblatt. Allerdings nicht zum Lesen, sondern zum Tauschen. Im Osten war das nämlich so: Wer eine Bravo hatte, der hatte Gold in den Händen. Sie war ein wertvolles Tauschobjekt. Man musste allerdings mindestens mehrere Märklin-Aufkleber und eine Packung Wrigley’s Spearmint Gum dafür hinlegen. Der Wert der Bravo hing dabei von ihrem Zustand und von ihrem Erscheinungsdatum ab. Und wenn ich dann mal eine in der Hand hielt, dann wurde die natürlich nicht gelesen, sondern wie ein Schatz mit Schutzfolie umhüllt und aufbewahrt, um wieder getauscht zu werden. Naja, bei Dr. Sommer habe ich kurz reingeschaut. Und - einmal habe ich sogar ein Starposter von Depeche Mode rausgenommen! Aber das habe ich später wieder gelassen, weil das den Tauschwert der Bravo massiv verringerte."
    Vladimir Balzer, Moderator und Redakteur bei Studio 9 und Fazit
    Vladimir Balzer, Moderator und Redakteur bei Studio 9 und Fazit© Deutschlandradio - Antonia Jordi

    Tim Wiese: "Ich konsultierte das Dr. Sommer-Team"


    "Wahrscheinlich wird sich jeder ältere Leser der Bravo schon einmal gefragt haben, was das für Teenager sind, die auf teilweise so merkwürdige Fragen an das Dr. Sommer-Team kommen. Nun, ich war einer davon. Es muss um 1990 gewesen sein. Ich war das erste Mal verliebt und konnte das mit meinen Freunden nicht besprechen. Große Gefühle galten noch als peinlich. Meinen Eltern traute ich keinen fachkundigen Rat zu. Also konsultierte ich die Experten der Bravo. In einem Brief wollte ich wissen, wie man denn seinen Schwarm ganz unverbindlich auf sich aufmerksam macht und ob Küssen verpflichtend sei, was ich mir nicht so richtig vorstellen konnte. Weil die Angelegenheit für mich so heikel war, schrieb ich unter falschem Namen und ließ meine Adresse weg. Vielleicht lag es an der Unverbindlichkeit meines Briefes oder an meiner Ungeduld, meine dringenden Fragen wurden nie im Heft beantwortet. Zumindest nicht in den drei Ausgaben, die ich mir in den folgenden Wochen aufgeregt kaufte. Natürlich wählte ich dafür nicht den Kiosk in meinem Heimatdorf, sondern zwei Ortschaften weiter. Wegen meiner Enttäuschung verlor mich die Bravo in den folgenden Monaten als Leser. Auch später blieb mein Verhältnis eher distanziert. Sollte sich aber mein Schreiben immer noch in der Ablage unbeantworteter Post in der Dr. Sommer-Redaktion befinden, kann ich an dieser Stelle mitteilen: Eine Antwort ist nicht mehr nötig. Die Sache ist gut ausgegangen."
    Tim Wiese, Moderator Kakadu
    Tim Wiese, Moderator Kakadu© Deutschlandradio - Antonia Jordi

    Thomas Fuchs: "Noch heute wird sich bei den Jugendlichen um die Bravo geprügelt"


    "Eigentlich hatten die Bravo und ich nur eine sehr kurze gemeinsame Zeit. Kaum, dass ich alt genug war mich dafür zu interessieren (Dr. Sommer), war es auch schon wieder vorbei, zumindest nach außen hin. Denn wenn, dann habe ich die Bravo damals nur heimlich gelesen. In meinem Umfeld war die Zeitschrift nicht angesagt, weil zu unpolitisch. Zwar kannte ich ein Mädchen, in deren Zimmer der Nena-Starschnitt hing, doch das war eindeutig die Ausnahme. Erst zwanzig Jahre später habe ich dann wieder begonnen die Bravo zu lesen: Hier in der Kakadu-Redaktion, in der es von Anfang an ein Bravo-Abo gibt (natürlich nur wegen der Charts!). Doch seit dem Relaunch 2014 finde ich die Bravo uninteressant. Vermutlich bin ich inzwischen einfach zu alt. Denn wenn ich heute ab und zu mal eine aus dem Stapel meinen halbwüchsigen Töchtern mitbringe, sind die begeistert. Neulich haben sie zwei Hefte mit auf Pfadfinderfahrt genommen. Sie berichteten später, dass sie sich im Bus fast darum geprügelt hätten."
    Thomas Fuchs, Redakteur beim Kinderfunk/Kakadu
    Thomas Fuchs, Redakteur beim Kinderfunk/Kakadu© Deutschlandradio - Antonia Jordi

    Julia Riedhammer: "Die Bravo hat unseren jugendlichen Voyeurismus befriedrigt"


    "Ganz ehrlich, ich habe als Teenager öfter als die 'Bravo' die Zeitschrift 'Mädchen' gelesen. Ich dachte damals, die sei irgendwie anspruchsvoller und politisch korrekter. Naja. Die Bravo kannte natürlich trotzdem jeder, keiner wollte aber als einer ihrer Leser oder Leserinnen erkannt werden. Wenn dann aber auf dem Pausenhof "Liebe, Sex und Zärtlichkeit" zitiert wurde, kam es heraus: Die Bravo war die Zeitschrift, die unseren jugendlichen Voyeurismus befriedigt hat."
    Julia Riedhammer, Literaturredaktion
    Julia Riedhammer, Literaturredaktion© Deutschlandradio - Antonia Jordi

    Andreas Baum: "Ich musste versprechen, dass ich sie erst mit 13 lese"


    "Ich habe meine erste Bravo mit zwölf Jahren gekauft, gelesen und mit nach Hause gebracht. Meine Eltern blätterten sie durch und fanden, dass ich zu jung für sie war, vor allem wegen der Kolumne von Dr. Sommer. Ich musste versprechen, dass ich bis dreizehn warte, bis ich Bravo lese."
    Andreas Baum, Redakteur, aktuelle Kultur & Politik
    Andreas Baum, Redakteur, aktuelle Kultur & Politik© Deutschlandradio - Antonia Jordi

    Margarete Hucht: "Für Dr. Sommer habe ich den Schulgottesdienst geschwänzt"


    "Klar, erinnere ich mich an die Bravo – vor allem wegen Dr. Sommer, der Teenie-Fragen rund um das Thema Sex beantwortete. Rückblickend finde ich, hat er das ganz gut gemacht: Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass Jungs-Fragen wichtiger gewesen wären als Mädchen-Fragen. Die Erklärungen waren teils explizit und furchtbar aufregend! Deshalb hatte ich immer etwas Sorge, die Bravo zu Hause bei den Eltern aufzubewahren, denn die waren sehr konservativ und streng religiös. Ich habe daher öfter donnerstags den katholischen Schulgottesdienst geschwänzt, bin zum Kiosk gegangen und habe dort die neueste Ausgabe durchgeblättert."
    Margarete Hucht, Online-Redaktion
    Margarete Hucht, Online-Redaktion© Deutschlandradio - Antonia Jordi

    Andreas Buron: "Die Bravo gab mir Anleitung für Breakdance-Moves"


    "Ich habe die Bravo recht häufig gelesen, weil mein älterer Bruder die hatte. Natürlich war in dem Alter, so mit 13, 14 Jahren, die Dr. Sommer-Rubrik das Spannendste. Aber da es damals kein Internet gab und das Musikfernsehen noch in den Kinderschuhen steckte, war für uns Dorfkinder die Bravo auch ein Fenster zu einer anderen, glitzernden Pop-Welt. Außerdem: Mein Bruder und ich waren Breakdancer, und in der Bravo gab es eine Step-by-Step-Anleitung für bestimmte Moves wie Turtle, Backspin, Headspin oder Electric Boogie. Das haben wir versucht nachzutanzen und in eine Performance einzubauen. Also insofern auch konkrete Lebenshilfe für den Nachwuchs-Dorf-Hipster."

    Andreas Buron, Online-Redaktion
    Andreas Buron, Online-Redaktion© Deutschlandradio - Antonia Jordi