50 Jahre Software Eliza

Vom Psychiater inspirierte künstliche Intelligenz

Der deutsch-US-amerikanische Informatiker Joseph Weizenbaum (1923-2008) in einer undatierten Aufnahme
Joseph Weizenbaum war entsetzt über unkritischen Reaktionen auf das von ihm entwickelte Sprachprogramm Eliza. © picture-alliance / dpa
Von Laf Überland · 21.01.2016
Im Januar 1966 veröffentlichte der Informatiker Joseph Weizenbaum eine Sprachsoftware. Eliza ist sozusagen die Urmutter der inzwischen in jedem besseren Smartphone vertretenen virtuellen Assistenten. Ein Meilenstein der Entwicklung künstlich intelligenter Alltagsanwendungen.
"All right Eliza, say it again!"
In George Bernard Shaws Schauspiel "Pygmalion"lernt das Blumenmädchen Eliza durch Unterweisung von Professor Higgins, wie man richtig spricht. Und nach ihr benannte der Informatikprofessor Joseph Weizenbaum am ehrwürdigen Massachusetts Institute of Technology 1966 sein experimentelles Programm, mit dem er dem Computer sprechen beibringen wollte - beziehungsweise eigentlich eher scheinbares Verstehen. Denn Eliza führte, schriftlich auf dem Bildschirm, ein Gespräch mit einem Nutzer, der auf einer Tastatur tippte.
Die Gesprächssituation war eine Parodie auf ein Gespräch mit einem Psychiater - eine pure Illusion, wie Weizenbaum dachte, denn natürlich wusste er, dass der Computer den Menschen nicht wirklich verstehen konnte. Und er war gelinde entsetzt über die hoffnungsvolle Freude, mit der Menschen dem Computer ihr Herz ausschütteten, und erst recht über die Psychotherapeuten, die sich allen Ernstes freuten mit Eliza demnächst viel mehr Patienten auf einmal behandeln zu können.
Mahnungen vom KI-Pionier
Zehn Jahre später schrieb Weizenbaum dann sein erstes computerkritisches Buch als Mahner. Aber sein Meilenstein der Weisen in der Geschichte der künstlichen Intelligenz hat sich pausenlos weiterentwickelt.
(Einspielung - Computer-Komposition)
Dies ist von Algorithmen komponierte Musik, wie sie am 12. März beim Berliner MärzMusik-Festival vorgestellt werden soll. Ob diese Musik schön ist oder gut, ist eine geschmäcklerische Frage, aber die Macher feiern sie, als sei der komponierende Computer ein Pudel, dem man ein besonders raffiniertes Kunststückchen beigebracht hat."Neue Horizonte", schreiben sie, "in der künstlerischen Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine!".
Die Faszination für das selbsttätige Elektronengehirn ist inzwischen völlig alltäglich geworden: Es gibt autonom fahrende Autos, autonome Waffensysteme, Künstliche Intelligenz für lebensechte Sexpuppen, aber auch Nanobots in der Blutbahn und Schmuseroboter, wie sie in Japan den Pflegenotstand eindämmen sollen. Psychotherapie per App ist immer noch im Gespräch, und neuerdings möchte auch Barbie unsere Kinder kennenlernen, wenn sie mit den lieben Kleinen spielt!
Künstlich intelligente Produkte für jedermann
2015 haben - von Google über Facebook, IBM über Microsoft bis zu Amazon - sämtliche HiTech-Giganten KI als die strategische Priorität ausgerufen. Und sie stecken die Künstliche-Intelligenz-Tools nicht nur in die eigenen Produkte, sondern bieten sie jedermann an – auf dass unsere Welt möglichst schnell künstlich intelligenter werde.
Naja, alles halb so schlimm, so lange die Dosenwesen kein Bewusstsein entwickeln: Und tatsächlich hat die künstliche Intelligenz heute noch nicht den Stand eines dreijährigen Kindes erreicht. Aber wie das Kind lernt sie schnell – auch, wie man sich verstellt. Und Apples Sprachassistent Siri überzeugt ja tatsächlich viele Leute davon, dass etwas Intelligentes im iPhone steckt!
Blödsinn oder Größenwahn?
Joseph Weizenbaum befürchtete, dass die bewusste Auseinandersetzung mit dem Computer dem kritiklosen Verwachsen mit dem Computer weichen würde – befeuert vom Ehrgeiz einer Branche, die ihre Dinge tut, weil sie sie tun kann. Und kurz vor seinem Tod war er ziemlich frustriert:
"Es ist eine Katastrophe, dass die meisten meiner Kollegen glauben, wir könnten einen künstlichen Menschen herstellen. Und dieser unglaubliche Blödsinn hat auch mit Größenwahn zu tun. Es kann sein, hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, dass ich gesagt hätte: Ach in dieser Branche möchte ich gar nicht sein."
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