50 Jahre "Civil Rights Act"

Gleich - vor dem Gesetz

Proteste vor dem Supreme Court in den USA.
Vor genau einem Jahr sorgte ein Richterspruch für Empörung, der einen Teil des sogenannten Voting Rights Act aus dem Jahr 1965 für verfassungswidrig erklärte. © dpa/EPA/Jim Lo Scalzo
Von Marcus Pindur, Washington · 02.07.2014
Vor 50 Jahren setzte US-Präsident Lyndon Johnson den "Civil Rights Act" in Kraft. Mit ihm konnten die schwarzen Bürger ihre Rechte als Staatsbürger durchsetzen – auf dem Papier. Wie ist es heute um ihre Situation bestellt?
Es wurde viel gesungen, in den Bussen, mit denen die freedom rider in die Südstaaten fuhren, um gegen die Rassentrennung ein Signal zu setzen. 1961 fuhren zunächst 13 schwarze und weiße Studenten durch die Südstaaten, um das rassistische System der Rassentrennung anzuprangern. Hunderte folgten ihnen. John Lewis war einer der freedom rider. Heute ist der ehemalige Mitstreiter Martin Luther Kings Mitglied des Repräsentantenhauses.
"Von dem Augenblick an, als ich diesen Bus bestieg, um durch den tiefen Süden zu fahren, fühlte ich mich gut. Ich war glücklich. Ich war befreit. Ich fühlte mich wie ein Soldat in einer gewaltlosen Armee. Ich war bereit."
Die freedom rider wurden von rassistischen Schlägern des Ku-Klux-Klan verprügelt, sie wurden ins Gefängnis geworfen, drei von ihnen wurden in Mississippi ermordet. Doch immer mehr Studenten kamen in die Südstaaten und zogen die nationale Aufmerksamkeit auf sich und ihr Anliegen.
"Als wir an der Stadtgrenze von Birmingham, Alabama ankamen, befahl Sheriff Bull Connor allen anderen Passagieren, den Bus zu verlassen. Wir mussten drin bleiben. Und die Fenster wurden mit Pappe zugehängt, um die Medien an der Berichterstattung zu hindern."
Doch das war nicht mehr möglich. Nicht nur die amerikanische, die gesamte Weltöffentlichkeit sah die Szenen der Brutalität, die sich im Süden der USA abspielten. Die freedom rider waren nur ein Kapitel aus der langen Geschichte des Widerstands gegen die Rassendiskriminierung. Ihnen vorausgegangen waren viele Klagen vor Bundesgerichten und seit Ende der 50er Jahre immer mehr Aktionen des zivilen Ungehorsams, wie zum Beispiel der Busstreik von Montgomery, der von einem jungen schwarzen Pfarrer namens Martin Luther King organisiert wurde.
Mit Kennedy dreht sich der Wind
Doch all dies hatte an der Segregation nichts geändert. Schwarze Kinder gingen immer noch in getrennte Schulen, die schlechter ausgestattet waren. Ihre Eltern wurden immer noch durch hanebüchene Vorschriften und Gewalt am Wählen gehindert.
Doch der Wind drehte sich. Im Juni 1963 hielt Präsident John F. Kennedy eine Rede, in der er so eindeutig Stellung bezog, wie noch nie zuvor:
"100 Jahre sind vergangen, seit Präsident Lincoln die Sklaven befreit hat. Doch ihre Enkel sind immer noch nicht befreit von den Fesseln der Ungerechtigkeit. Und diese Nation wird nicht frei sein, bis alle ihre Bürger frei sind."
Kennedy erlebte dies nicht. Sein Nachfolger, Lyndon B. Johnson, nutzte jedoch die Welle der öffentlichen Unterstützung nach Kennedys Ermordung, um sein zentrales Bürgerrechtsvorhaben durchzusetzen: den Civil Rights Act, das Bürgerrechtsgesetz von 1964.
Der Civil Rights Act sicherte Minderheiten erstmals die gleichen Rechte wie weißen Amerikanern, so Präsident Johnson.
"Wir sollten dieses Gesetz nicht im Geist der Rache, sondern der Versöhnung umsetzen. Sein Zweck ist es nicht, zu strafen, sondern Gräben zu überwinden, die es viel zu lange gegeben hat."
Jetzt durften Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht mehr nach Hautfarbe, Herkunft, Religion, oder Geschlecht diskriminieren. Verbote, die sich gegen die Präsenz von Schwarzen in Restaurants, Geschäften und allen öffentlichen Einrichtungen richteten, wurden illegal. Das Wahlrecht durfte nicht behindert werden. Die rechtlich nicht zulässige, aber nach wie vor praktizierte Segregation der Schulen wurde aufgehoben.
Noch Vieles im Argen
Ida Jones ist die Kuratorin des größten Archives zur Geschichte der schwarzen Bürger Nordamerikas an der Howard University in Washington, D.C. "Der Civil Rights Act war eine Wasserscheide", meint die Historikerin. Aber es gebe immer noch viel zu tun. Zum Beispiel, weil Schwarze nur 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen, aber 38 Prozent der Gefängnisinsassen.
"Viele bekommen dann auch noch mit ihrer Gefängnisstrafe das Wahlrecht entzogen. Und mittlerweile überholen schwarze Frauen ihre Männer bei der Kriminalität, sie verkaufen Sex und Drogen, um ihre Kinder aufzuziehen, wenn der Vater im Gefängnis sitzt."
Doch es habe sich Einiges geändert seit 1964. 85 Prozent der Afro-Amerikaner verlassen die Schule mit einem Abschluss. 1963 waren es nur 25 Prozent. Die Zahl der schwarzen Universitätsabsolventen hat sich verdreifacht, und die Armutsquote ist von 48 auf 28 Prozent gesunken. Doch die Arbeitslosigkeit ist immer noch doppelt so hoch wie im Bevölkerungsdurchschnitt.
John Lewis setzt den Kampf für die sozialen und gesellschaftlichen Rechte der Afroamerikaner seit 40 Jahren in der Politik fort und ist Autor vieler wegbereitender Gesetze.
Doch er erinnert sich auch noch heute daran, wie wichtig das Erlebnis der freedom rider war. Das Singen sei dabei ein kraftvolles Instrument des gewaltlosen Widerstandes, es habe Hoffnung gespendet in einer Zeit der Hoffnungslosigkeit.
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