30 Jahre Schwarzwaldklinik

Zwischen Kitsch und Kreuzbandriss

Die Schauspieler Sascha Hehn (spielt Dr. Udo Brinkmann), Gaby Dohm (als Frau Dr. Brinkmann) und Klausjürgen Wussow (als Prof. Klaus Brinkmann) posieren bei Dreharbeiten für die Jubiläumssendung der Fernsehserie "Die Schwarzwaldklinik" im Glottertal (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald).
Die Schauspieler Sascha Hehn (spielt Dr. Udo Brinkmann), Gaby Dohm (als Frau Dr. Brinkmann) und Klausjürgen Wussow (als Prof. Klaus Brinkmann) posieren bei Dreharbeiten für die Jubiläumssendung der Fernsehserie "Die Schwarzwaldklinik" im Glottertal (Kreis © picture alliance / dpa / Rolf Haid
Von Laf Überland · 22.10.2015
Sie war die bislang erfolgreichste deutsche TV-Serie: Im Schnitt 24 Millionen Zuschauer ließen sich zwischen 1985 und 1989 von der Idylle der "Schwarzwaldklinik" gefangen nehmen. Jenseits von Waldsterben und Tschernobyl war hier die Welt noch in Ordnung, denn der Bildschirm-Arztroman lieferte allerfeinste Kitschware mit Happyend-Garantie.
"Guten Tag!"
"Guten Tag. Bitte!"
"Ich hab mir den Daumen an einem rostigen Nagel aufgerissen."
"Aha. Bitte nehmen Sie Platz. Das sehen wir uns gleich mal an. Schwester Bettina, Tetanus!"
Die Schwarzwaldklinik war das Happy End nach zwei Jahrzehnten kritischer Unruhen und Horrorsommern voller Nachrichten vom Waldsterben: In der Schwarzwaldklinik war der Wald völlig in Ordnung, und als Pfleger gab es sogar einen sympathischen Kriegsdienstverweigerer!
"Das wird jetzt glatt wie ein Kinderpopo."
"Als Zivildienstleistender haste 'ne ziemlich große Klappe, Junge!"
"Drückeberger haben meistens 'ne große Klappe."
"Hör gar nicht hin. Der hat immer was zu meckern."
Das Bein in Gips, das Herz gebrochen
Das Bein in Gips – und auch das Herz gebrochen: Stets ging’s um Kranksein und um die Liebe! Ob bei der hochschwangeren Oberbauratsgattin und dem armen Landstreicher, privat oder Kasse, ganz egal: Alles ging ans Herz in dieser Serie um den erfolgreichen Chirurgen, der zurück in sein Heimatdorf kommt und die Klinik übernimmt, in der sein Sohn, der lieber die Frauen ins Bett legt als die Patienten auf den OP-Tisch, bereits arbeitet.
Und ach herrje, die Querelen nehmen kein Ende! Zumindest vorerst nicht, denn der Junior will was von Schwester Christa, die wiederum lieber den Senior ehelicht, weshalb der Junge schließlich die Anästhesistin heiratet, danach was mit dem Kindermädchen hat und schließlich mit Schwester Elke zusammen kommt, die gerade an einer unglücklichen Affäre mit einem verletzten Stuntman leidet.
"Mich verlierst du ja nicht. Das Einzige, was du verlieren wirst, ist dein funktionierendes Knie. Es bleibt steif ..."
Mischung aus den erfolgreichsten deutschen Kitschgattungen
Und so pflegte die Schwarzwaldklinik eine geniale Mischung aus den erfolgreichsten beiden Kitschgattungen der deutschen Seele - aus Heimatfilm und Arztroman. Die visuelle Klinik-Idylle wurde aus 32 wirklich hübschen Drehorten verdichtet zu einem Ambiente, das so wunderschön war, dass man es fast nicht mehr aushielt.
"In dem Bach haben wir als Jungs Forellen mit der Hand gefangen. Damals gab's noch welche."
"Ja, ich weiß."
In diesem Sehnsuchtsland hätten auch noch Willy Birgel und Rudolf Prack auftreten können. 1985 aber holte man sich den Burgschauspieler Klausjürgen Wussow für die Chefarzt-Rolle; für den Sohn heuerte man den heutigen Traumschiffkapitän Sascha Hehn an, dem es nicht schadete, dass einige Postillen eine Zeitlang mit Dreck nach seiner frühen Karriere im "Schulmädchenreport" und anderen Sexfilmchen nach ihm warfen. Die Schwester Christa spielte Gaby Dohm in ihrer Beinahe-Lebensrolle.
"Ärzte sind Ärzte, und Schwestern sind Schwestern."
"Voriges Jahrhundert, wie?"
"Selbstachtung ist zeitlos."
Fimosen und Familienfeste
Krebs und Kreuzbandriss, Trümmerbrüche und Tetanusspritzen und wenigstens ein Schuft pro Folge und ein kleines Laster, das war das Rezept der erfolgreichsten deutschen Fernsehserie aller Zeiten - wie mit Pflastern verklebt natürlich durch Hochzeiten und Fehlgeburten, Findelkinder und Familienfeste.
Und endlich herrschte samstagabends im Fernsehen wieder schnulzige Gemütsruhe wie in den fünfziger Jahren oder im Arztwartezimmer.
Schon bald genoss die Schwarzwaldklinik dann solch eine Popularität, dass Seniorenreisebusse zu Kaffeefahrten ins Glottertal fuhren, um die Schwarzwaldklinik zu besichtigen oder wegen der Schmerzen in den Beinen Dr. Brinkmann zu sprechen.
"Ich hab drei Kinder, wissen Sie, und arbeite im Sägewerk. Ich kann mich nicht um sie kümmern!"
"Herr Beck, Ihre Frau hat Krebs."
Vorbild für unzählige Arztserien
Nach dem Ende der Schwarzwaldklinik wurden allein in Deutschland dann mehr als 25 Arztserien in die Fernsehprogramme gehoben.Bisweilen liefen auf den verschiedenen Sendern drei, vier gleichzeitig – darunter so wunderbare Knaller wie Der Landarzt, Praxis Bülowbogen oder Dr. Stefan Frank - der Arzt, dem die Frauen vertrauen!
Und natürlich wird die deutsche Original-Arztserie im Internet fleißig angeklickt als Kult-Fernsehgeschichte, und fast zwei Jahrzehnte lang wurde sie im ZDF wie in einer Endlosschleife wiederholt. Die meist gezeigte Episode der letzten zehn Jahre sei, so heißt es, jene, in der Professor Brinkmann einen Herzinfarkt kriegt – mit mindestens 64 Wiederholungen.
Na ja, kein Wunder: Die Schwarzwaldklinik stammt ja noch aus der Zeit, als am Ende immer alles gut wurde.
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