2000 Stadien in 66 Ländern

Von Gerd Michalek · 08.03.2005
Die einen sammeln Fußballbilder, die anderen Stadien. Die Fußball-Tempel rund um die Welt zu besuchen, ist bei Groundhoppern zur vollen Leidenschaft entfaltet.
Werner: Und irgendwann reicht einem das nicht mehr. Dann hat man jedes Stadion in der Bundesliga gesehen, dann sagt man sich, Mensch man möchte doch auch mal Stadien in der zweiten Bundesliga angucken. Dann habe ich im Fan-Club Bonn Groundhopper getroffen, die haben mir das mal erklärt, und dann bin ich so in die Szene rein geraten. Der Anfang war im Februar 1997.

Fast zehn Jahre früher hatte der Remscheider Jens Uwe Hansen Blut geleckt. Der war in England unterwegs zu Westham United.

Hansen: Und irgendwann auf der Fähre hat man dann mal einen älteren Deutschen kennen gelernt, der schon alle 92 Stadien der englischen Profi-Liga besucht hat. Da war natürlich das Staunen groß und die Bewunderung, wie man so bescheuert sein kann, so was zu machen. Und dann kommst du auf die Idee, das könntest Du auch mal machen.

Werner: Dann hat mich mal ein Kollege mit nach Belgien genommen und hab dort den ersten Länderpunkt Belgien gemacht. Und das fand ich ganz toll.

Dann gab der Kölner Andreas Werner seinem Affen richtig Zucker - die Strecken wurden weiter, das Punktekonto wuchs, und sein Auto kam nicht mehr zum Stehen.

Werner: Ich fahre mittlerweile in Deutschland alle Ligen querbeet, hauptsächlich natürlich Oberliga und Verbandliga, weil ich die oberen drei Ligen so gut wie komplett habe. Mir fehlt in der Regionalliga-Nord nur noch ein Ground, das ist der Platz von Herta BSC Amateure, die haben ein neues Stadion gebaut. Da muss ich noch hin. Und in der Oberliga fehlen mir noch 17 Stück. Es gibt zehn Oberligen mal 18 Vereine, da können Sie sich ja ausrechnen, wie viel ich schon hab und 17 fehlen mir davon.

Hansen: Europa verfügt über 52 Länder, die die UEFA angehören, und da habe ich in jedem Land schon Spiele besucht. In Europa geht es jetzt darum, die verschiedenen Ligen zu komplettieren, sprich in Norwegen war man zwei-, dreimal und ich habe zehn von den 16 Erstligisten gesehen und die restlichen sechs möchte ich auch noch sehen.

Per Internet klicken sich Groundhopper in die Spielpläne der Welt und träumen vom globalen Hopping.
Mitfahrbörsen und Billigfluganbieter helfen, die Fußballweiden preisgünstig abzugrasen. Möglichst viele Stadion-Termine sollen in ein Wochenende passen. Jugendspiele, Fünft-Ligisten, egal was - Hauptsache Neuland.

Hansen: An einem Tag sind bis zu drei Spiele möglich, dann ist es immer schön, wenn man ein Stadion einschiebt, was vorher nicht so geplant war.

Andreas Werner hat es schon auf vier Spiele hintereinander gebracht. Nur ein Stau vereitelte den fünften Ground in Dänemark.

Für Mietwagen, Unterkunft und Stadionbesuche geben er und seine Leidensgenossen um die 1000 Euro im Monat aus.

Werner: So habe ich heute per E-Mail ne Tour fürs Wochenende abgemacht. Fahren am Samstag nach St. Etienne, gegen Paris St. Germain, erste Liga. Wird bestimmt ein gutes Spiel. Und sonntags machen wir sozusagen auf dem Rückweg einen Abstecher nach Italien, dritte Liga, Mantua gegen Novara, und dann geht’s wieder heim, denn montags ruft wieder die Arbeit.

Ein echter Groundhopper organisiert sich natürlich. Doch in die "Vereinigung Deutscher Groundhopper" zu kommen, ist kein Pappenstiel: 30 Länderpunkte und mindestens 300 Grounds sind nötig. Mit circa 1500 Stadien und 56 Länderpunkten gehört Werner zum Mittelfeld, Hansen zu den ersten Drei.
Hansen: Also Länderpunkte sind es 66, und Grounds werden es 2800 und paar Zerquetschte sein. Es ist ja nicht so, dass man den Ritterschlag erhält, weil man mehr Grounds hat als andere. Sicherlich ist es so, dass man mal bewundert wird von den Anfängern.

Werner hingegen fehlen in Europa noch die ehemaligen GUS-Staaten sowie Zypern. Doch auch die Trophäen wird er sicherlich bald einheimsen. Stadionsammler sind hartnäckige Leute.

Hansen: Gerade in der Anfangszeit, da hat man sich auf so Zeitungen wie die Sportbild verlassen. Da fährt man nach Wien, ich war auch freitagabends da, und die erzählt einem dann, dass das Spiel erst Samstagabends ist. Und Wien ist 1000 Kilometer weg, da hat man schon nen dicken Hals.

Werner: Die härteste Sache war, wir sind mal mit fünf Mann mit dem Leihwagen unter der Woche nach Dover, nach England gefahren, haben uns vergewissert vorher, dass das Spiel auch ist, kommen dann hin zum Stadion, und das Spiel fand kurzfristig dann nicht statt. Das war ein Mega-Frusterlebnis.

Sich nur bis zum Kartenhäuschen vorkämpfen - dafür gibt es keine Punkte. Genauso wenig für Spielabbrüche in der ersten Halbzeit. Da sind Groundhopper hart gegen sich:

Werner: Der Ehrenkodex ist da schon sehr hoch. Als Nachweis dient in der Regel die Eintrittskarte und das Programmheft. Es reicht aus, eine Halbzeit zu gucken, um den Ground zu zählen. Aber ich versuche immer, das Spiel komplett 90 Minuten zu gucken, weil ich halte nichts vom "Halbzeit-Hopping".

Im Vergleich zu anderen Finanzbeamten sieht Andreas Werner viel Rasen von der Welt - auch mitten in der Woche.
Werner: Das war son Kult nach der Arbeit: Unter der Woche nach England Fußball gucken, nachts zurück, und dann morgens in der Frühstückspause: Na, wo warst du denn, der eine dann, ich war im Kino, und ich halt, ich in England beim Fußball und hab die Eintrittskarte noch gezeigt. Ich meine, dass ist so ne verrückte Sache gewesen.