20 Jahre nach Oklahoma-Attentat

Ein erschütternder Anschlag im April

Der Ort, an dem die Bombe hochging, ist umzäunt - Menschen haben Dinge an den Zaun gehängt.
Ein Zaun umschließt den damaligen Tatort - Menschen haben Dinge an den Zaun gehängt, um der Toten zu gedenken. © Imago / Zuma Press
Von Tom Noga · 18.04.2015
Am 19. April 1995 hat ein Rechtsradikaler in Oklahoma City eine Bombe gezündet, 168 Menschen starben, darunter 19 Kinder. Der Anschlag ist fast in Vergessenheit geraten, verdrängt vom "Krieg gegen den Terror" - nur in Oklahoma City, da lebt die Erinnerung fort.
Steve Lackmeyer ist ein Bär von einem Mann. Er füllt die Sitzbank ganz und gar aus, von der er auf zwei bronzefarbenen Metalltore blickt. Sie ragen gute zehn Meter in einen wolkenlosen Himmel. Zwischen ihnen eine Wasserfläche.
Steve Lackmeyer: "Früher hat hier die fünfte Straße entlang geführt, dort, wo jetzt das Wasserbecken ist. Die beiden Tore unterbrechen den Straßenverlauf. Oben drauf sind Uhren. Auf der einen ist es eins nach neun, auf der anderen drei nach. In der Minute dazwischen ist es passiert. Das ist die Minute, die alles verändert hat."
In dieser Minute, um 9:02 Uhr am 19. April 1995 hat eine Autobombe das Murray Federal Building zerstört. Es stand exakt hier, wo Steve Lackmeyer sitzt: auf der 5. Straße im Zentrum von Oklahoma City.
"Ich war damals leitender Polizeireporter beim 'Oklahoman', der größten Tageszeitung im Staat. Die Bombe hat mich aus dem Schlaf gerissen. Mir war sofort klar, dass etwas Schreckliches passiert ist. Ich habe mich schnell angezogen und bin her gerast. Es herrschte totales Chaos, der Tatort war noch nicht abgesperrt. Da war ein großer abgesprengter Krater, als ob jemand etwas aus dem Gebäude heraus gebissen hatte."
Steve Lackmeyer senkt den Blick und wischt sich die Tränen aus den Augen. Er war lange nicht mehr hier, am Ort des Geschehens, bei der Gedenkstätte. Aber die nackten Zahlen, die hat er auch heute noch präsent: 168 Todesopfer, darunter 19 Kinder - jedem einzelnen ist an der Gedenkstätte ein gläserner Stuhl mit eingraviertem Namen gewidmet. Außerdem 687 Verletzte, 324 beschädigte Gebäude und 86 zerstörte Auto. Und ein ökonomischer Schaden, der auf 652 Millionen Dollar geschätzt wird.
Aus Hass auf die Regierung
"Wir konnten es nicht fassen, es hat einfach keinen Sinn ergeben. In Oklahoma City kommen die Menschen normalerweise gut miteinander aus, gewalttätige Demonstrationen hat es nie gegeben. Oklahoma City hat 600.000 Einwohner, ist aber im Grunde eine Kleinstadt geblieben."
29 war Steve Lackmeyer damals. Eine Woche hat der Reporter quasi nonstop gearbeitet, unterbrochen nur von kurzen Schlafphasen. Und sich dann auf die Suche nach den Tätern konzentriert.
"Von Verantwortlichen hieß es unter der Hand, dass Leute aus dem Mittleren Osten dahinter steckten.. Aber in diesem Fall waren es durch und durch amerikanische Jungs."
Haupttäter Timothy McVeigh war eine Rechtsradikaler. Das Murrah Federal Building hat er aus Hass auf die Bundesregierung als Ziel ausgewählt. Er wurde zum Tode verurteilt, ein Mittäter sitzt lebenslänglich hinter Gittern.
Mit schweren Schritten schlurft Steve Lackmeyer in das Museum, das der Gedenkstätte angeschlossen ist.
Der Rundgang beginnt in einem abgedunkelten Raum. Ein Tondokument wird eingespielt, die Aufzeichnung einer Sitzung des Wasserausschusses von Oklahoma City, vom Morgen des 19. Aprils 1995.
Kaum ist die Bombe detoniert, zucken Blitze durch den Raum. Das Licht geht an. An der Längswand werden 168 Bilder sichtbar: die Opfer des Anschlags. Lautlos öffnet sich die Schiebetür zum Museum. Dahinter ein halbes Dutzend Fernseher, auf denen Live-Berichte vom Tatort laufen.
Steve Lackmeyer schluchzt.
"Ich mag, wofür die Gedenkstätte steht. Weil sie uns etwas beibringen möchte. Sie erzählt uns Geschichten, vielleicht lernen wir daraus. Und trotzdem..."
Er lässt den Satz unvollendet. Die politischen Hintergründe der Tat, die selbst ernannten Bürgerwehren, aus deren Umfeld Timothy McVeigh gekommen ist, die rechtsradikalen Wehrsportgruppen der 90er-Jahre bis hin zu den rechtsextremistischen Strömungen heute – das alles findet im Museum keine Aufarbeitung. Keine Brücke auch zum islamistischen Terrorismus. Dabei wäre dies ein guter Ort, um der Frage nachzugehen, ob in- und ausländischer Terrorismus nicht letztlich zwei Seiten einer Medaille sind.
"Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob ein solcher Anschlag nicht wieder passieren könnte"
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