1968 - Als alles möglich schien

Moderation: Peter Lange · 07.04.2008
Es waren Tage und Wochen, in denen alles möglich schien: Aus ganz unterschiedlichen Motiven, doch mit ähnlichen Gefühlen meldeten sich vorwiegend junge Leute zu Wort, gingen auf die Straße, glaubten ihre sozialen und politischen Utopien in die Realität umsetzen zu können. Im Jahr 1968, vor 40 Jahren, erreichte diese Jugend- und Protestbewegung ihren Höhepunkt.
In Berlin, in Prag und in Paris wurden die Verhältnisse "zum Tanzen gebracht", wie es Karl Marx vor 130 Jahren formulierte. Doch überall währte diese Phase nur kurz, am längsten in Prag mit einigen Monaten. Trotzdem hat die damalige Protestbewegung breite und nachhaltige Spuren in der Gesellschaft, vor allem der deutschen, hinterlassen. Die Bewertung der "68er" - ob glorifiziert oder verdammt - ist bis heute ein Reizthema geblieben, das die Gemüter nach wie vor in Wallung bringen kann.

In Berlin ist es die Revolte der Bürgerkinder gegen die Bürgerlichkeit. Auf dem Höhepunkt ist die "Außerparlamentarische Opposition", die APO, nach dem Mordanschlag auf die Protest-Ikone Rudi Dutschke am 11. April 1968. Doch nach den Oster-Unruhen in mehreren deutschen Städten flauen die Aktivitäten zumindest auf den Straßen ab. Bald beginnt die Phase der politischen Fraktionierung und Sektenbildung. Und spätestens mit der "Schlacht am Tegeler Weg", bei der im November in Berlin Demonstranten erstmals gezielt Gewalt gegen die Polizei ausüben, ist der Wendepunkt der Außerparlamentarischen Opposition erreicht.

In Paris schließen sich im Mai den demonstrierenden Studenten zunehmend auch Arbeiter an - und die Republik steht für einige Wochen auf der Kippe. Am 1. Juni tritt die Regierung Pompidou zurück, doch keinen Monat später endet die Unruhezeit mit einem überwältigenden Sieg der Gaullisten bei den vorgezogenen Parlamentswahlen.

In Prag lautet die Parole schlicht "Svoboda" - Freiheit!" Bis im August 1968 sowjetische Panzer durch die Straßen der tschechoslowakischen Hauptstadt donnern. Da nutzt es auch nichts, dass der Staatspräsident die Zusammenarbeit mit den Besatzern verweigert. Immer wieder hört man - nun mehr im Geheimen - seinen Namen. Der Präsident heißt Svoboda …

Das Signal für die Proteste in Europa kam für viele aus den Vereinigten Staaten. Dort demonstrieren seit 1967 Hunderttausende gegen einen sinnlosen Krieg. In Vietnam selbst beginnen nordvietnamesische Vietkong-Verbände die US-Truppen in eine blutige und demütigende Niederlage zu jagen. Der Gigant schlägt um sich: das Massaker von My Lai ist eine traurige Station auf Amerikas Weg in die Kapitulation. Der Bürgerrechtler Martin Luther King und Senator Robert F. Kennedy werden von Attentätern erschossen.

19:30 Uhr
Zeitfragen
Unter dem Pflaster liegt der Strand
Wie der Protest aus den Hörsälen auf die Straße kam

20:03 Uhr
1968 - Als alles möglich schien
Themenabend mit Gesprächen, Berichten, Zeitdokumenten und Musik

Der zweieinhalbstündige Themenabend gliedert sich in folgende Teile:

- Die 68’er Bewegung in Deutschland wird in der ersten Sendestunde behandelt
- Je eine halbe Stunde wird dem Vietnam-Krieg und seinen Folgen sowie dem "Prager Frühling" in der CSSR gewidmet
- In der letzten halben Stunde wird bilanziert: Was bleibt von 1968?

Moderator Peter Lange unterhält sich mit drei Studiogästen:

- Katharina Rutschky, Journalistin und Autorin; 1968 Mitglied im "Sozialistischen Deutschen Studentenbund" - SDS
- Peter Radunski, Politikberater; 1968 Mitglied des Bundesvorstands des "Ringes Christlich-Demokratischer Studenten" - RCDS
- Niels Kadritzke, Journalist, 1968 Mitglied im "Sozialdemokratischen Hochschulbund" - SHB

In einer Reihe von Beiträgen werden die Ereignisse des Jahres 1968 lebendig. Neben Collagen zu den Themen Deutschland 68, Vietnam-Krieg und Prager Frühling sind es:

Das Attentat auf Rudi Dutschke und die Folgen
1968 und die deutsche Literatur
Das Theater der 68er
USA - Von Vietnam nach Chicago
Die Maiunruhen in Frankreich
Der Prager Frühling und sein Ende

Im Verlauf des Themenabends kommen Zeitzeugen zu Wort, die von Landeskorrespondenten des Deutschlandradios befragt wurden. Es sind nicht prominente 68er aus den Zentren des Geschehens, sondern Menschen, die einen jeweils ganz eigenen Bezug zu den Ereignissen hatten, im Westen und im Osten Deutschlands. Zufällig ausgewählt, sind Ihre Aussagen doch ein Kaleidoskop des Jahres 1968, in dem alles möglich schien.
Liste der Zeitzeugen

Themenabend 1968 zum Nachhören (MP3-Audio)
Rainer Langhans und Fritz Teufel im Jahr 1968
Rainer Langhans und Fritz Teufel im Jahr 1968© AP Archiv
Sowjetische Panzer bereiten dem Prager Frühling im August 1968 ein jähes Ende.
Sowjetische Panzer in Prag© AP
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