1967 - Psychedelische Plakatkunst

Alles so schön bunt hier

Ausschnitt eines Posters der Band Grateful Dead
Auch die Band "The Grateful Dead" nutzte Poster, deren psychedelischer Stil auf den Jugendstil und die Wiener Secession zurückgeht. © imago/ZUMA Press
Von Till Lorenzen · 29.03.2017
Der Erfolg von Musikern wie The Grateful Dead und Janis Joplin hält seit den 1960ern an. Zu ihrer Berühmtheit beigetragen haben auch Plakatkünstler wie Wes Wilson oder Stanley Mouse. Was macht ihre Arbeit so wichtig?
San Francisco, Mitte der 60er Jahre: Neuartige Musik, LSD-Happenings und jede Menge bunte und psychedelische Poster. Psychedelic Art ist geboren und mit ihr eine neue Form der Konzertankündigungen. Die Plakate sind nicht mehr nur Beiwerk, sondern Teil einer neuen Kunstszene. Heutzutage werden diese bunten Hingucker ähnlich teuer gehandelt wie seltene Schallplatten, erläutert Dennis Loren. Loren war 1967 21 Jahre alt und verdiente sein Geld mit genau solchen Postern. Seine ersten Aufträge waren für Konzerte von Muddy Waters, The Youngbloods und Jimi Hendrix.
Dennis Loren: "Die Leute haben die Plakate aufgehoben, weil sie sehr künstlerisch waren. Frühere Konzertposter ähnelten eher Boxkampfplakaten, einfach ein Foto des Künstlers und eine Standardschriftart. Aber die Poster aus San Francisco waren viel künstlerischer. Sie sind mittlerweile enorm im Wert gestiegen und ein Flying Eyeball Poster von Rick Griffin für ein Konzert von Jimi Hendrix ist mittlerweile mehrere tausend Dollar wert."
Auf dem von Dennis Loren erwähnten Flying Eyeball-Plakat von Rick Griffin, ist Hendrix nicht zu sehen, lediglich sein Name prangt in verschnörkelten Buchstaben im oberen Drittel. Der beflügelte Augapfel, mit drachenartigen Armen brennt ein kreisrundes Loch in den roten Hintergrund, bringt so den wolkenlosen Himmel zum Vorschein und starrt den Beobachter mit blauer Iris hypnotisch an.
Wie die Musik lösen die Poster neuartige, psychedelische Wirkungen aus. Dafür nutzten die Designer optische Irritationen:
"Viele Leute dachten, Sixties-Poster wären day glo, also in Neonfarben. Das stimmt nicht. Meist haben die Künstler zwei Farben, wie grün und orange oder blau und rot gewählt. Das Auge kann diese Farben nicht gleichzeitig fokussieren, ein Flimmern entsteht. Solche Farben lassen das Poster pulsieren oder vibrieren. Man musste einfach nur Komplementärfarben im Farbkreis finden. Die meisten der frühen Poster bestanden nur aus zwei, maximal drei Farben."
Warum sich die Plakatkunst neben der psychedelischen Musik entwickelt, liegt auf der Hand. Neue Klänge gleich neue Bilder.

Vorbild der Psychedelischen Plakatkünstler war auch der Jugendstil

Wenn der Pop 1967 Kunst wird, wird es mit ihm seine optische Begleitung. Die Künstler sind sich sehr bewusst über die Techniken, die sie nutzen und verweben geschickt Zitate aus früheren Epochen. Als maßgeblicher Einfluss gelten die Wiener Secessionsbewegung und der Jugendstil.
Die aufwendigen Schriftzüge gehen auf einen Künstler wie zum Beispiel William Morris zurück. Morris entwarf eigene Typografien, die er Formen der Natur entnahm, gewunden und verschlungen. Diese Schriftarten werden als Zigarettenrauch, Bandwurm oder Schleudertrauma bezeichnet. Die 60er greifen diesen Stil auf - und zwar sehr individuell. Es gibt nicht die eine, psychedelische Schriftart, wie Dennis Loren erläutert:
"Die meisten Poster psychedelischer Natur waren handgezeichnet und handgeschrieben. Die Buchstaben erinnern an Seifenblasen und kleine Schnörkel winden sich rund um die Buchstaben. Das formt den Buchstaben erst. Wenn man sich viele Poster anschaut, sieht man auch eine Vielzahl verschiedener Buchstabenstile. Ich würde sagen, dass Jugendstil und die Wiener Secessionisten das erfunden haben. Die Form war nicht neu, sondern die Art, wie sie diesen Stil benutzt haben."
Diese psychedelischen Poster sind eine optische Herausforderung und teilweise schwer zu lesen. Die verschlungenen Buchstaben winden sich um Motive wie Totenköpfe, fantastische Wesen, Blumen oder kosmische Frauen. Die Konzertposter kongruieren mit den hypnotischen Jamsessions, den Kollektivimprovisationen und den unglaublichen Sounds, die das Psychedelic Movement hervorbringt. An diesem engen Konnex lässt sich schön sehen, dass sich neue Kunstströmungen meist parallel in verschiedenen Medien niederschlagen.
Unsere Spotify-Liste zur 1967er-Reihe:
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