16 Westfalen, die gerne reimen

Von Gerrit Stratmann · 22.03.2013
Die "ChoRleriker" singen ihre eigenen humorvollen Texte zu bekannten Melodien. Außerdem gehören Pop- und Rockklassiker zum Repertoire der A-cappella-Stimmen. Jeden Dienstagabend treffen sich die Chorsänger im Jugendhaus "Taubenschlag" in Unna.
"Echte ChoRleriker fahren stimmlich aus der Haut. Echte ChoRleriker tun was sich sonst keiner traut. Lassen wir uns völlig gehen, wird es schon mal ziemlich laut – richtig laut!"

So klingt der Klassiker "Far, far away" der Rockgruppe Slade, den die ChoRleriker als Hymne für ihre Auftritte umgeschrieben haben. Die zehn Frauen und sechs Männer zwischen 35 und Anfang 60 treffen sich jeden Dienstagabend im Jugendhaus "Taubenschlag" in Unna. Sie sind Pädagogen, Informatiker, Kaufleute und Erzieherinnen, und die meisten kennen sich schon fast genauso lange wie es die ChoRleriker gibt. Der Älteste von ihnen ist Peter Kötter.

"Wir haben immer versucht einen kleinen Chor zu machen, nicht über 15 bis 20 Leute hinaus, weil wir das für sehr wichtig erachtet haben. Dann haben wir letztendlich auch immer die Chorleiter dazu gesucht, die zu uns passten. Das war uns also sehr wichtig. Und ich glaube, mit dem Matthias haben wir jetzt jemanden dabei, der nicht nur uns leiten kann, sondern auch arrangieren kann, so dass dann auch ganz eigene Stücke entstehen. Und das macht den besonderen Reiz aus, und das macht uns besonders viel Spaß."

Matthias Ortmann leitet die ChoRleriker seit 2007. Der ausgebildete Musiker ist selbst noch aktiver Sänger in einem anderen A-cappella-Ensemble aus Münster. Die ChoRleriker, das ist für ihn –

"A cappella mit Zähnen und Klauen. Also mit den Zähnen, das hat damit zu tun, dass es einfach Biss hat, und dass man sich bei einem Choleriker ja jemanden vorstellt, der wütend manchmal die Zähne zusammenbeißt, also Zähne zeigt. Und das Klauen, das kommt daher, wie Peter schon sagte, dass wir eben die Stücke klauen von anderen Interpreten und eigene Texte darauf schreiben."

Musik: "Gestern beim Chinesen, da aß ich Huhn mit Reis. Exotische Gewürze, mir wurde kalt und heiß. Viel zu scharf! Zunge fast verbrannt. – Chilischaa-a-a-arf ..."

Dietrich: "Eigentlich haben wir nur drei Themen: Essen und Trinken als ein Oberthema, Männer und Frauen - und Älterwerden. Und irgendwie kommen wir immer – in der letzten Strophe wird immer Bier getrunken oder so …

"Das stimmt gar nicht!" (Gelächter)‘"

Dietrich hat mit 46 Jahren zwar nur noch wenige Haare, aber dafür eine volle Stimme. Er singt im Bass und macht manchmal die Vocal Percussion für die Stücke des Chores.

Die eigenen, deutschen Texte der meist ohne Instrumentalbegleitung gesungenen Lieder stammen aus der Feder von Jutta und Jochen. Die beiden kennen sich noch aus der Schule und sind nicht miteinander verheiratet – obwohl man ihnen nachsagt, sie würden manchmal so klingen.

Jutta Wegener und Jochen Püttmann:
"- "Und irgendwann haben wir mal beschlossen, wir wollen auch mal was Deutsches singen, aber keiner hat irgendwas getextet. Irgendwann hab ich mal einen Text gemacht, hab den Jutta mal gezeigt – das war 'Altersheimausbruch', hieß der."
- "Ja, kann sein."
- "Da haben wir im Laufe der Zeit …"
- "… haben wir immer unsere Krisen bewältigt mit den Textstücken."
- "Ja, immer dann zusammen. Irgendwem ist was eingefallen, hat was zusammengesetzt oder per Mail mal was rumgeschickt. In letzter Zeit hat aber Jutta die Texte gemacht! Ich bin nicht mehr so kreativ."
- "Eine Schreibblockade!"

Musik: "Zuhause angekommen, ich mach mir noch ein Brot. Da merke ich benommen: mein Finger färbt sich rot. Zu scharf! Die Klinge war zu scharf."

Dietrich: "Also der Chorleiter hat hier eine andere Funktion. Das ist nicht der, der kommt, Noten hinlegt: So, das ist unser nächstes Stück! Sondern er kriegt was zugespielt, er muss es bearbeiten. Wir sagen, so ist es aber überhaupt nicht schön. Das ist ja nicht immer nur leicht für ihn. Also das ist was anderes, als man auch traditionelle Chorleitungen erlebt. Musical Director, sagt Matthias manchmal von sich selbst. Sonstige Leitung des Chores ist überhaupt nicht so sehr bei ihm, das ist eher wirklich in dieser Gruppe, und ich glaub, das würd bei einer bestimmten Größe nicht mehr funktionieren."

Matthias übernimmt als Chorleiter nicht nur das Arrangieren, die Aufwärmübungen und das Stimmtraining der Gruppe. Seine Aufgabe sieht er vor allem darin, die anarchische Energie, die sich auf den Proben manchmal Bahn bricht, in die richtige Richtung zu lenken.

Matthias: "Um noch mal auf a cappella mit Zähnen und Klauen zurückzukommen: Das klingt ein bisschen nach Raubtieren. Insofern versteh‘ ich mich auch ein bisschen als Dompteur."

Ein bis zwei abendfüllende Konzerte geben die ChoRleriker im Jahr. Daneben treten sie oft auf privaten Feiern oder öffentlichen Veranstaltungen in Unna und Umgebung auf. Experimentierfreude zeigen sie bei spontanen Gesangseinlagen auf einer Rolltreppe im Kaufhaus oder wenn sie als chorische Zugbegleitung während des Krimifestivals "Mord am Hellweg" in den Regionalzügen zwischen den beteiligten Städten unterwegs sind. Für Katharina aus dem Sopran ist die Gemeinschaft der 16 Sängerinnen und Sänger allerdings mindestens genauso wichtig wie der nächste Auftritt.

Katharina: "Wir kennen uns alle schon jetzt einige Zeit und ich denke, wir freuen uns auch auf die Chorproben und aufeinander und ab und zu verbringen wir auch mal ein Wochenende gemeinsam und das gehört mit zu unserem Singen dazu."
Das Traumziel der ChoRleriker wäre ein Auftritt im New Yorker Central Park. Aber auch wenn das in nächster Zeit nicht klappen sollte: Am Ende zählt für die Gruppe sowieso nur, was Tina, die jüngste Sängerin, über ihren Chor sagt:

"Also es gibt auf jeden Fall keinen, wo man so herzhaft lachen kann, so viel Spaß haben kann und so wunderschön singen kann."

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.