125 Jahre Volksbühnen

Eine gute Idee, die Früchte trägt

Volksbühne in Berlin
Die Volksbühne in Berlin © imago / Seeliger
Von Peter Claus · 28.03.2015
Die Volksbühnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, der breiten Bevölkerung die Welt der Kunst und Kultur zu öffnen. 125 Jahre ist diese Idee nun alt, ein ganz beachtliches Alter. Doch ein paar Denkpausen sollten die Verantwortlichen trotzdem einlegen.
Ja, es darf gefeiert werden. Schließlich ist es keine Selbstverständlichkeit, dass eine gute Idee in der deutschen Kulturlandschaft 125 Jahre lang Früchte trägt. Der Grundgedanke, der 1890 in Berlin mit Gründung der Freien Volksbühne tatkräftig umgesetzt wurde, hat nach wie vor Berechtigung: breiten Schichten der Bevölkerung die Welt der Kunst und Kultur zu öffnen.
Heute, in Zeiten oftmals allein konsumorientierter App- und Show- und vor allem Konsum-Unkultur tut derlei dringend Not. Auch weil sich eins seit 1890 nicht geändert hat: Bildung erreicht längst nicht alle, damit noch weniger Kunst und Kultur. Ganz zu schweigen von finanziellen Fragen – reguläre Theaterkarten, wenn auch enorm subventioniert vom Staat, sind nicht für alle erschwinglich. Erste kulturpolitische Massenorganisation der deutschen Arbeiterbewegung, so sah sich die Volksbühne zu ihrer Gründungszeit selbst. Inzwischen ist die Bewegung eine im bürgerlichen Lager angekommene Besucherorganisation, die Mitgliedern Vorschläge zur Entdeckung von Kultur macht und ihnen Karten zu oft erheblich reduzierten Preisen offeriert.
Die Stärke ist die Vermittlung und Beschäftigung mit der Kunst
Ein krasser Unterschied von Ost und West fällt auf: Während die Volksbühnen-Vereine auf dem Gebiet der ehemaligen BRD an vielen, vielen Orten überaus aktiv und lebendig arbeiten, gründete sich nach dem Mauerfall auf dem Gebiet der nicht mehr existierenden DDR nur ein Ableger, in Chemnitz. Die Zerstörung der Volksbühnen-Bewegung in der gleichgeschalteten Kultur-Szene der Nazis ist eine Ursache, eine zweite, ihre Auflösung in der DDR in der Staatsgewerkschaft FDGB, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, da Freiheit in keiner Hinsicht vorhanden war.
Ob Mecklenburg, Brandenburg oder Sachsen: die Volksbühnen-Bewegung konnte nach 1989 nicht wieder Fuß fassen. Es mag mit der durch historische Erfahrungen gestärkten Furcht vieler vor organisierten Vereinen zu tun haben, dass sich kaum Interessierte finden, auch damit, dass kommerzielle Ticket-Anbieter im Osten schon kurz nach der Wiedervereinigung wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Die können Schnäppchen anbieten, mit denen die Volksbühnen-Vereine nicht mithalten können. Deren Stärke liegt in Vermittlung, Auseinandersetzung, Beschäftigung mit der Kunst weit über das einzelne Ereignis hinaus, durch Foren, Diskussionen, Arbeitsgruppen. Die Volksbühnen-Bewegung steht damit auch und insbesondere für Bildung, Herzensbildung, die wir der Kunst ja in bedeutendem Maß verdanken, die an Schulen kaum mehr Raum zur Entfaltung hat.
Wenn jetzt gefeiert wird, sollten die Volksbühnen-Vertreter doch auch ein paar Denkpausen einlegen, ob sie nicht hier und da für Nachwuchs und auch Neugründungen sorgen können. Auch die nächsten 125 Jahre wird es Not tun, breiten Schichten der Bevölkerung die Welt der Kunst und Kultur zu öffnen.
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