100 Jahre Ferenc Fricsay

Händel - anziehend streng und entschlackt

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Der ungarisch-österreichische Dirigent Ferenc Fricsay © picture alliance / dpa
09.08.2014
Am 9. August wäre Ferenc Fricsay 100 Jahre alt geworden. Bis zu seinem Tod im Jahr 1963 leitete er als Chefdirigent das RIAS-Symphonie-Orchester. 1954 entstand eine extrem moderne Aufnahme von Händels Oratorium "Judas Makkabäus".
Man staunt einfach, wenn man diese Aufnahmen nach 60 Jahren hört! Hier wird aufführungspraktisch einiges vorweggenommen. Ferenc Fricsay setzt hier längst nicht mehr auf einen romantischen Mischklang, der die Details verdeckt‚ Dramatik und Kammermusik sind bei ihm angesagt. Das hat in den 50er-Jahren viele Zuhörer eher verschrecken lassen: ein Orchesterklang, der anziehend streng und geradezu entschlackt klingt, teilweise vibratolos – was dieser Händel-Aufnahme immens entgegenkommt. Federnd, gespannte Rhythmik – alles unglaublich präzise. Das wirkt extrem modern!
"Fricsay ist frei vom Ballast musikphilologischer Skrupel. Er geht an Händel nicht mit stilkritischem Zirkel und Reißbrett heran, sondern mit der ihm eigenen kühnen, künstlerischen Naivität. Er schaltet mit dem Werk so souverän, wie das noch jede Zeit, die nicht der Ohnmacht des Historismus verfallen war, getan hat: Er zieht etwa eine Arie und das Duett 'Komm, süße Freiheit' zu einem Stück zusammen – was ausgezeichnet ist. Er übernimmt eine Arie des Soprans für den Bariton, er besetzt eine Arienbegleitung rein solistisch, erweitert die Schlusskadenz am Ende eines Rezitativs, zieht die Harfe als Kontinuo-Instrument heran...Es gibt auch einen anderen Weg zu Händel, aber dieser ist ein Weg." Das schreibt Kurt Westphal zur Aufführung im "Kurier".
"Fricsay zeigte wieder, dass er den rechten Sinn für das Repräsentative barocker Musik hat; seine Steigerungen sind so übersichtlich wie mitreißend, sein Sinn für Gleichgewicht von Vokalem und Instrumentalem ist an den Aufgaben, die er sich im Bereich des Oratoriums gestellt hat, merklich gewachsen!" Das merkte Hans Heinz Stuckenschmidt in "Die neue Zeitung" an.
Aufnahme vom 10. Mai 1954 in der Hochschule für Musik, Berlin
Georg Friedrich Händel
Judas Makkabäus – Oratorium
Maria Stader, Sopran
Elise Hartwig, Alt
Ernst Haefliger, Tenor
Cornelis van Dyck, Tenor
Dietrich Fischer-Dieskau, Bariton
RIAS-Kammerchor
Chor der St. Hedwigs-Kathedrale, Berlin
RIAS-Symphonie-Orchester
Leitung: Ferenc Fricsay